Dass Journalist Khashoggi ermordet wurde, ist immer wahrscheinlicher. Der Fall ist äusserst delikat. Nun bemüht sich Saudi-Arabien zur Schadensbegrenzung.
Der saudische Journalist Jamal Khashoggi telefoniert in Davos.
Der saudische Journalist Jamal Khashoggi telefoniert in Davos. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Ermordung des saudischen Journalisten Khashoggi ist eine delikate Angelegenheit.
  • Die Beziehungen zwischen der Türkei, Saudi-Arabien und den USA sind belastet.
  • Die saudische Regierung ist um Schadensbegrenzung bemüht.

Es ist ein Polit-Thriller sondergleichen der sich derzeit am Bosporus abspielt: Ein saudischer Journalist geht in Istanbul auf das saudische Konsulat, wird beim Betreten des Hauses noch ein letztes Mal von einer Kamera erfasst. Danach fehlt von ihm jegliche Spur. Die Rede ist von Jamal Ahmad Khashoggi, einem saudi-arabischen Journalisten, der bei der herrschenden Königsfamilie in Ungnade gefallen ist und seit September 2017 im Exil in den Vereinigten Staaten lebt. Von dort aus hatte er in Beiträgen und Kolumnen – unter anderem in der «Washington Post» – wiederholt den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (kurz MBS) kritisiert.

Was bisher geschah

Ende September hatte Khashoggi das saudische Konsulat aufgesucht um Dokumente für seine Heirat zu beschaffen. Man gab ihm den Termin für folgenden Dienstag. Am 2. Oktober betrat er das Konsulat zum zweiten Mal. Seine Verlobte wartete vor dem Gebäude über zwölf Stunden – vergebens. Khashoggi ist seither wie vom Erdboden verschluckt. Am 7. Oktober berichteten Medien, dass die türkische Polizei davon ausgehe, dass der Journalist im Konsulat ermordet oder gekidnappt wurde.

Die letzte Aufnahme des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul, Türkei.
Die letzte Aufnahme des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beim Betreten des saudischen Konsulats in Istanbul, Türkei. - keystone

Wenig später erklärte ein Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die türkische Regierung davon ausgehe, dass Khashoggi sich nicht mehr auf dem Konsulat befinde. Aus Saudi-Arabien seien zudem 15 Männer eingeflogen worden, um die Entführung oder Ermordung auszuführen. Am 11. Oktober dann eine neue Wendung im Fall. Türkische Behördenvertreter hätten Ton- und Videoaufnahmen im Besitz, die belegten, dass Khashoggi im Konsulat ermordet wurde. Darauf sei zu hören, wie der Journalist verhört, gefoltert und getötet wurde. Daraufhin sei die Leiche zerstückelt worden. Unklar ist, wie die Behörden an die Video- und Tonaufnahmen aus der saudischen Vertretung gelangt sind.

Am 12. Oktober traf eine Delegation aus Saudi-Arabien ein, um den Fall zu untersuchen. Nun – zwei Wochen nach dem Verschwinden des 59-Jährigen – durften auch türkische Ermittler das saudische Konsulat untersuchen. Spürhunde kamen zum Einsatz und auch Bodenproben wurden genommen. Interessant: Bevor die türkischen Ermittler auftauchten, betrat ein Putz-Team ausgerüstet mit Putzmitteln und Wischmopps das Konsulat. Für die Glaubwürdigkeit der Untersuchung nicht gerade förderlich.

Dann am Montagabend erneut eine Wendung im Fall Khashoggi. Offenbar wolle Saudi-Arabien laut zwei Quellen des amerikanischen Senders «CNN» eingestehen, dass Khashoggi bei einem schief gelaufenen Verhör ums Leben gekommen sei. Ein Bericht würde nun verfasst, welcher erklärt, dass der Einsatz ohne Genehmigung erfolgt sei und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Eine offizielle Erklärung hat die saudische Regierung noch nicht abgegeben – bisher wurde jegliche Kenntnisnahme abgestritten.

Delikate Situation in vielerlei Hinsicht

Der Fall ist für alle Beteiligten äusserst delikat. Einerseits für die Türkei, deren Behörden angeblich Ton- und Bildmaterial von der Tat besitzen. Dass diese Beweise bisher nicht veröffentlicht wurden, hängt wohl damit zusammen, dass das Konsulat völkerrechtlich saudisches Staatsgebiet ist. Das Ton- und Bildmaterial wäre demnach der Beweis, dass die Türkei die Botschaften und Konsulate anderer Staaten aushorcht. Eine diplomatische Krise – mindestens zwischen der Türkei und Saudi-Arabien – wäre unumgänglich.

Khashoggi
Türkische Forensiker untersuchen das saudische Konsulat in Istanbul. - keystone

Für die USA – die Wahlheimat von Khashoggi – und dessen Präsidenten Donald Trump ist Saudi-Arabien ein langjähriger Verbündeter. Die Saudis kaufen regelmässig Rüstungsgüter von den Amerikanern. Nun sieht Trump den Rüstungsdeal von über 110 Milliarden Dollar in Gefahr. Auch die Saudi-US-Partnerschaft bei Trumps «Nahost-Friedensplan» zwischen Israel und den Palästinensern und das gemeinsame Bündnis im Ringen mit dem Iran steht auf dem Spiel.

Hinzu kommt, dass die Saudis wichtige Wirtschaftspartner für Trump persönlich sind. Die saudische Regierung besitzt etwa eine ganze Etage im New Yorker Trump World Tower. Zudem ist Riad bedeutender Investor bei zahlreichen US-Firmen. Alleine im Silicon-Valley sollen die Saudis bis zu 100 Milliarden Dollar reingesteckt haben.

Haben Saudis den Bogen überspannt?

Dass die saudische Regierung Dissidenten und Kritiker regelmässig entführt, foltert und zum Schweigen bringt, ist unlängst klar. Schon die Verhaftung des saudischen Internet-Aktivisten Raif Badawi hatte international für Furore gesorgt und belasten noch heute die bilateralen Beziehungen zu Kanada, wo sich derzeit seine Ehefrau Ensaf Haidar aufhält. Ohnehin ist das Vertrauen westlicher Staaten in Saudi-Arabien wegen den ständigen Menschenrechtsverletzungen gering. Nun scheint es, als haben die Saudis mit der mutmasslichen Ermordung Khashoggis den Bogen überspannt.

Sollte sich der Verdacht der Ermordung des saudischen Journalisten erhärten, so wären wohl für Saudi-Arabien drastische Konsequenzen bis hin zu Sanktionen unausweichlich. Selbst Donald Trump hat in diesem Fall «ernsthafte Konsequenzen» angekündigt.

Saudische Schadensbegrenzung

Nun sind die Saudis um Schadensbegrenzung bemüht. US-Aussenminister Mike Pompeo ist inzwischen in Riad eingetroffen, um mit dem saudischen König Salman und dem Thronfolger MBS den Fall Khashoggi zu bereden. Wird nun gemeinsam eine zweckdienliche Lösung geschmiedet?

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) empfängt Mike Pompeo (l.), Aussenminister der USA, zu einem Gespräch. Pompeo ist in Saudi-Arabien eingetroffen, um dort mit der Führung des Landes über das mysteriöse Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen.
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) empfängt Mike Pompeo (l.), Aussenminister der USA, zu einem Gespräch. Pompeo ist in Saudi-Arabien eingetroffen, um dort mit der Führung des Landes über das mysteriöse Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen. - dpa

Die einfachste Version für die saudische Regierung – obwohl ziemlich unglaubwürdig – wäre demnach, dass die Saudis mutmassliche Killer präsentieren, und gleichzeitig beteuern, dass diese selbständig und ohne Kenntnisse ihrer Regierung gehandelt haben. Diese Version käme den Saudi-Herrschern, als auch Trump, äusserst gelegen. Dass er diese Version für möglich halte, hat Trump jedenfalls schon bestätigt.

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