Darum schauen Millionen Teenies «Brainrot»-Inhalte
Im Internet gehen KI-generierte Fantasiefiguren viral. Der Trend – bekannt unter «Italian Brainrot» – hat trotz seiner Absurdität eine Funktion.
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Das Wichtigste in Kürze
- Der Tiktok-Trend «Italian Brainrot» fällt vor allem wegen seiner Absurdität auf.
- Allerdings lassen sich die KI-Figuren nicht einfach als sinnlos abtun.
- Eine Expertin erklärt, weshalb Jugendliche solche (Nicht-)Inhalte konsumieren.
«Bombardiro Crocodilo», «Tralalelo Tralala», «Tung Tung Tung Tung Tung Tung Tung Tung Tung Sahur». Nein, hier ist nicht etwa der polnische Biber aus dem «Bobr Kurwa»-Meme über die Tastatur gelaufen.
Es handelt sich bei den oben genannten Begriffen um Namen von Protagonisten eines anderen Tiktok-Trends – «Italian Brainrot» (dt. Hirnfäule).
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Die KI-generierten Figuren sind an Absurdität kaum zu überbieten. Bombardiro Crocodilo ist beispielsweise eine Mischung aus Krokodil und Kampfflugzeug. Tralalelo Tralala ein Hai mit Turnschuhen. Und Tung Tung Tung Sahur, wie es in der Kurzform heisst, eine Art Stock mit menschlichen Zügen.
Auch die Handlungen, um die es in den Videos geht, sind selten wahnsinnig geistreich. Trotzdem erzielen die Videos etwa auf Youtube Millionen Views. Weshalb aber schauen sich Menschen freiwillig solche Inhalte an?
Natürlich haben viele Personen in der Freizeit die Tendenz, zur Entspannung eher leichtere Inhalte zu konsumieren. Aber beim «Brainrot», handelt es sich, wie der Name vermuten lässt, nochmals um eine andere Stufe.
«Hirnverfall» gegen Leistungsdruck
«Brainrot ist an sich ein komplexer Trend», sagt Katharina Lobinger, Kommunikationswissenschaftlerin der Università della Svizzera Italiana in Lugano gegenüber Nau.ch.
Eine Studie aus Norwegen zeige beispielsweise, dass «Brainrot»-Praktiken gerade für Jugendliche eine bewusste Entlastung sein können. «Sie nutzen solche Inhalte gezielt, um dem ständigen Druck zu Leistung und Selbstoptimierung etwas entgegenzusetzen.»
Interessant ist auch der Begriff «Brainrot» an sich. Ursprünglich sei der Begriff eher abwertend gemeint gewesen, so Lobinger. Ältere Generationen hätten so jeweils die Mediennutzung der Jugendlichen kritisiert.
Heute sind die Jungen aber selbst die treibenden Kräfte hinter dem Begriff. «Sie produzieren und teilen die Inhalte, die früher als schädlich abgestempelt wurden, mit einem bewussten Augenzwinkern und somit selbstironisch.»
Gerade angesichts des aktuellen Zeitgeschehens mit den ganzen Negativmeldungen sei Ablenkung für viele wichtig. Sie widmen sich daher «vermeintlich unsinnigen» Inhalten, wie Lobinger ausführt.
Dabei trete die Inhaltsebene in den Hintergrund. Im Fokus stünden stattdessen die Entlastungs- und die Communityfunktion.
Gleichzeitig betont Lobinger: «Medieninhalte werden nicht von allen auf die gleiche Weise genutzt. Man muss also genau hinsehen, die Praktiken ernst nehmen, um sie zu verstehen.»
«Unterhaltende Medieninhalte häufig unterschätzt»
Weiter sei Humor in der Online-Welt allgemein sehr komplex. Lobinger nennt das Beispiel von Pepe the Frog, ein an sich unschuldiges Meme, das später von Rechtspopulisten gekapert wurde.
«Forschung zur visuellen Kommunikation zeigt, dass unterhaltende, visuelle Medieninhalte, wie Memes, häufig unterschätzt werden», erklärt Lobinger. Dies, weil sie lustig oder absurd erscheinen. Gerade diese Mischung aus Spass und Ernst mache sie politisch und gesellschaftlich effektiv.

Wichtig sei deshalb, dass man bei Memes oder eben beim Brainrot in der Kommunikationsforschung genauer hinschaut.
Die Gratwanderung zeigt sich auch beim Italian Brainrot. In den KI-generierten Videos wird oft geflucht. Dazu machen sie sich teilweise auch über Kriege oder Religionen lustig.