Sinkende Emissionen im Schiffsverkehr beschleunigen die Erderwärmung vorübergehend, zeigt eine Studie. Doch die Erkenntnisse sind umstritten.
Studie
Schifffahrt und Industrie verursachen einen Grossteil der Emissionen. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit den verringerten Schiffsemissionen gibt es weniger helle Wolken.
  • Infolge wird nicht so viel Sonnenlicht ins All zurückgeworfen wie sonst.
  • Das könnte ursächlich für den jetzigen – und zukünftigen – Temperaturanstieg sein.
Ad

Eine Studie zeigt: Dass die Schiffsemissionen sinken, beschleunigt offenbar den Klimawandel vorübergehend. Es konnte ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Schwefeldioxid-Emissionen mit einer erheblichen Atmosphären-Erwärmung über bestimmten Ozeanregionen nachgewiesen werden.

Etwa 80 Prozent des ab 2020 beobachteten Anstiegs der auf der Erde gespeicherten Wärmeenergie könnten darauf zurückgehen. Das berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal «Communications Earth & Environment» über Ergebnisse einer Modellierungsstudie.

Demnach ging im Zuge einer neuen Verordnung für sauberere Schiffskraftstoffe der Gehalt an atmosphärischen Sulfataerosolen erheblich zurück. In der Folge traf das auch auf die Wolkentröpfchendichte zu. Das wiederum habe zu einer Verdunklung der Meereswolken geführt, die dadurch weniger Sonnenstrahlung ins All zurück reflektierten.

Studie wird kritisiert

Die stärkste Verringerung der Aerosolkonzentration wurde für den Nordatlantik, das Karibische Meer und das Südchinesische Meer berechnet. Dabei handelt es sich um die Regionen mit den am stärksten befahrenen Schifffahrtsrouten.

Unabhängige Forscher sehen die Studie skeptisch. Es sei ein sehr kurzer Zeitraum betrachtet worden. Zudem sei die Zunahme der menschengemachten Treibhausgase nach wie vor entscheidend für den Klimawandel insgesamt.

Hellere Wolken werfen mehr Sonnenlicht ins All zurück

Das für grosse Schiffe verwendete Heizöl hat einen wesentlich höheren Schwefelgehalt als Kraftstoffe, die für andere Fahrzeuge verwendet werden. Bei der Verbrennung entsteht Schwefeldioxid, das mit Wasserdampf in der Atmosphäre reagiert und Sulfataerosole erzeugt. Diese kühlen die Erdoberfläche auf zweierlei Weise: indem sie das Sonnenlicht direkt in den Weltraum zurückwerfen und indem sie die Wolkenbedeckung beeinflussen.

Macht dir der Klimawandel Sorgen?

Mit steigender Menge an Aerosolen steigt die Zahl sich bildender Wassertröpfchen, während sich ihre Grösse verringert. In der Folge nimmt die Wolkenbedeckung zu und hellere Wolken entstehen. Diese werfen mehr Sonnenlicht ins All zurück, wie die Forschenden erläutern.

«Starker temporärer Schock» – anormal warmes Jahrzehnt

Im Jahr 2020 war eine neue Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO2020) eingeführt worden. Mit dieser wurde der maximal zulässige Schwefelgehalt in Schiffskraftstoffen von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt, um die Luftverschmutzung zu verringern. In der Folge sei ein abrupter etwa 80-prozentiger Rückgang der Schwefeldioxid-Emissionen aus dem Schiffsverkehr beobachtet worden. So heisst es in der Studie.

Das Team um Tianle Yuan von der University of Maryland in Baltimore schätzte darauf basierend den Energiehaushalt der Erde: also die Differenz zwischen der von der Sonne empfangenen und der von der Erde abgestrahlten Energie ab 2020.

Demnach stellt IMO2020 einen «starken temporären Schock» für die Netto-Wärmeaufnahme des Planeten dar. «Der Erwärmungseffekt stimmt mit der kürzlich beobachteten starken Erwärmung im Jahr 2023 überein. Er dürfte die 2020er-Jahre anomal warm werden lassen», lautet das Fazit.

Skepsis: Kurzzeit-Betrachtung fehleranfälliger

IMO2020 könnte der globalen Erwärmung demnach auch in den nächsten Jahren noch «einen erheblichen Schub» geben. Der Modellierung zufolge könnte für das Jahrzehnt eine Erwärmungsrate von 0,24 Grad zu erwarten sein. Das wäre mehr als doppelt so viel wie durchschnittlich seit 1880.

Nicht an der Studie beteiligte Experten sind allerdings skeptisch. «Da ist Vorsicht geboten», sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Wenn man einen Effekt für einen so kurzen Zeitraum betrachte, sei das generell fehleranfälliger als bei längeren Zeiträumen.

Der Anteil an der seit 2020 gespeicherten Wärmeenergie könne auch weit unter 80 Prozent liegen. «Der Wert könnte in der Modellierung überschätzt sein.» Für die beobachteten Rekordwerte im vergangenen Jahr könnten auch andere Faktoren entscheidend sein.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

KlimawandelEnergieYuanErdeStudie