Forscher knacken das Erbgut einer urzeitlichen Insektenart: der Schwarzhalsigen Kamelhalsfliege.
HANDOUT - Eine Schwarzhalsige Kamelhalsfliege (Venustoraphidia nigricollis). Sie hat einen auffallend langen Hals und glasklare Flügel - die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege (Venustoraphidia nigricollis) wird das «Insekt des Jahres 2022». Foto: Harald Bruckner/Senckenberg/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
Eine Schwarzhalsige Kamelhalsfliege (Venustoraphidia nigricollis). Sie hat einen auffallend langen Hals und glasklare Flügel. (Archivbild) - sda - Keystone/Senckenberg/Harald Bruckner

Das Erbgut der Schwarzhalsigen Kamelhalsfliege haben deutsche und österreichische Forscher erstmals vollständig entschlüsselt. Sie erhoffen sich von ihren im «Journal of Heredity» veröffentlichten Ergebnissen neue Einblicke in die Evolution dieser einst artenreichen «lebenden Fossilien». Den Einschlag eines Asteroiden vor 66 Millionen Jahren, der zum Aussterben der Dinosaurier führte, überlebten nur wenige Arten.

Auffällige Gestalt

Die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege (Venustoraphidia nigricollis) ist eine davon. Sie gehört zur artenärmsten Ordnung von Insekten mit vollständiger Verwandlung, also mit einem Puppenstadium, die in Europa weitverbreitet ist. Kolonien kommen beispielsweise auch mitten in Städten vor.

Den grössten Teil ihres Lebens, meist zwei oder mehr Jahre, verbringen Kamelhalsfliegen als Larven. Sie ernähren sich in dieser Zeit vor allem von Eiern und Larven anderer Insekten, etwa von Schadinsekten wie Apfelwickler und Borkenkäfer. Wenn sie im Frühsommer schlüpfen, stehen ebenfalls andere kleine, weichhäutige Insekten, besonders Blattläuse und Schildläuse, auf ihrem Speiseplan.

Namensgebend ist die auffällige Gestalt der tagaktiven räuberischen meist weniger als zwei Zentimeter grossen Insekten. Sie besitzen ein stark verlängertes erstes Brustsegment und einen langen, flachen Kopf, die beide sehr beweglich und in die Höhe gerichtet sind.

«Lebende Fossilien» unter der Lupe

Für den Wiener Entomologen Horst Aspöck, Emeritus an der Medizinischen Universität Wien, sind Kamelhalsfliegen «lebende Fossilien», wie er der Nachrichtenagentur APA erklärte. Versteinerungen von zu Zeiten der Dinosaurier lebenden Vertretern dieser Insektenordnung seien kaum von rezenten Arten zu unterscheiden. Heute leben rund 250 Arten, von denen Aspöck gemeinsam mit seiner Frau, der Entomologin Ulrike Aspöck vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM), etwa zwei Drittel wissenschaftlich beschrieben hat.

Es sei dies der «kärgliche Rest» der im Mesozoikum (vor 252 bis 66 Millionen Jahren) sehr viel weiter verbreiteten und artenreicheren Kamelhalsfliegen. Die durch den Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren ausgelösten klimatischen Veränderungen überlebten allerdings nur jene Arten, die sich an kältere Temperaturen anpassen konnten. Die beiden Entomologen haben nun gemeinsam mit Kollegen der deutschen Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung erstmals das Erbgut der Schwarzhalsigen Kamelhalsfliege entschlüsselt.

«Die Ergebnisse erlauben nun, die stammesgeschichtliche Analyse der Kamelhalsfliegen unter deutlich verbesserten Rahmenbedingungen weiter zu erforschen», sagte Ulrike Aspöck. Sie würden auch zeigen, dass es zwischen unterschiedlichen Kamelhalsfliegenarten nach dem Asteroiden-Einschlag vermutlich noch zu genetischem Austausch gekommen ist.

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