Eine Evolutionsbiologin der ETH will mit Hilfe von Ameisen die Ausbreitung infektiöser Krankheiten untersuchen.
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Ein farbiger Look für Ameisen: Eine ETH-Forscherin untersucht das soziale Gefüge der sechsbeinigen Krabbler. - sda - Keystone/ROCKEFELLER UNIVERSITY/DANIEL KRONAUER
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Forscherin will an Ameisen beobachten, wie sich infektiöse Krankheiten ausbreiten.
  • Damit will sie Aussagen von epidemiologischen Modellen überprüfen.
  • Die Ameisengemeinschaft bildet dafür ein ideales Modellsystem.

Mit einer kleinen Petrischale läuft die Evolutionsbiologin Yuko Ulrich in einen schwül-heissen Raum. Es herrschen 27 Grad Celsius und etwa sechzig Prozent Luftfeuchtigkeit. In der Schale tummeln sich sieben winzige Ameisen, bemalt mit blauen, pinken, grünen und orangen Pünktchen. «Ihre Heimat sind die Tropen, sie brauchen diese Bedingungen», erklärt die 37-jährige Assistenzprofessorin von der ETH Zürich.

Sie steckt die Petrischalen-Kolonie in eine Beobachtungsbox. Kameras zeichnen dort stundenlang die Farbtupfer und die Position jeder Ameise mehrere Male pro Sekunde auf. Mithilfe der hunderttausenden Datenpunkte und Hochleistungscomputern lassen sich Bewegungsprofile erstellen und das soziale Netzwerk der Kolonie vermessen.

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Das Hauptgebäude der ETH Zürich aus der Luft. - Keystone

Damit bildet die Ameisengemeinschaft ein ideales Modellsystem – eine Art Miniaturgesellschaft. Ulrich will so untersuchen, wie sich infektiöse Krankheiten ausbreiten und um die Aussagen von epidemiologischen Modellen zu überprüfen.

Ameisen kennen keine Königin

Nicht erst seit der Covid-19-Pandemie berufen sich Fachleute auf epidemiologische Modelle. Diese Systeme helfen dabei abzuschätzen, wie eine Krankheitswelle durch die Bevölkerung fegt und welche Massnahmen bei der Eindämmung helfen könnten. Aber wie lässt sich kontrollieren, ob die Modelle verlässliche Daten ausspucken?

Ein Puzzlestück könnte das Forschungsobjekt von Yuko Ulrich sein, die sogenannte Clonal Raider Ant. Diese blinde Ameisenart kennt anders als Waldameisen keine Königin. Vielmehr übernimmt jede Ameise im Laufe ihres Lebens verschiedene Arbeiten: Die Jungen kümmern sich um die Larven im Nest, die Alten entsorgen Abfälle und suchen nach Futter.

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Eine Frau beobachtet durch ein Mikroskop Ameisen. - Keystone

Um die Ameisen zu bemalen, greift Yuko Ulrich mit einer Pinzette eine der winzigen Krabbler aus einer Tupperdose. Dann klemmt sie die Ameise unter einen Nylonfaden, damit das Tierchen sich nicht mehr bewegen kann. Das Päckchen legt sie unters Mikroskop und bemalt mit ruhiger Hand den Rücken der Ameise mit zwei blauen Pünktchen. Tausenden Ameisen habe sie diesen farbigen Look bereits verpasst, sagt sie.

Übertragung mit fluoreszierenden Substanzen verfolgen?

So fand das Team um die junge Forscherin heraus, wie sich verschiedene Kolonien schaffen lassen. Diese bilden beispielsweise kleine untereinander agierende Gruppen oder kommen mit allen Artgenossen einer Kolonie in Berührung. In einem nächsten Schritt wird Ulrich die Ameisen infizieren. Einerseits überträgt sie Pilzsporen auf die Tiere, andererseits experimentiert sie mit Nematoden, die sich im Kopf von Ameisen einnisten.

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Bemalte Ameisen. - Keystone

Noch befindet sich dieser Teil des Projekts in der Experimentierphase: Die Evolutionsbiologin tüftelt beispielsweise daran, ob sich die Nematoden mit fluoreszierenden Substanzen sichtbar machen lassen, um deren Übertragung zu verfolgen. Sie plant neben ihren eigenen Experimenten verschiedene Projekte mit theoretischen Epidemiologen. Zusammengenommen könnten die beiden Forschungsrichtungen neue Erkenntnisse liefern, wie sich Krankheitserreger eindämmen lassen.

Aber lassen sich Ameisenkolonien mit menschlichen Gemeinschaften vergleichen? Nicht direkt, sagt Ulrich. Ameisen seien ebenso wie Menschen von Natur aus sehr sozial, so die Forscherin. Deshalb «können sie uns helfen, allgemeine Eigenschaften von sozialen Gruppen zu identifizieren, die uns vor Krankheiten schützen können.»

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