Mit Rückenwind durch ein Treffen mit US-Präsident Biden fliegt der saudische Kronprinz wieder nach Europa. In Athen schert man sich kaum noch um den Fall Khashoggi, in Paris wird die Kritik schon lauter.
Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman und der griechische Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis.
Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman und der griechische Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. - Dimtiris Papamitsos/Greek Prime Minister's Office/AP/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Irgendwie ist dann doch wieder alles beim Alten: Mit seinem ersten Besuch in Europa seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi scheint der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman auch im Westen diplomatisch wieder Fuss zu fassen.

In Athen bereitete ihm Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Dienstag einen «warmen Empfang», wie der Kronprinz sagte. Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist am Donnerstagabend im Pariser Élyséepalast ein Arbeitsessen geplant - auf Einladung des Franzosen. Bald vier Jahre nach dem Khashoggi-Mord wird «MBS» in Europa allmählich wieder salonfähig.

Ende der Isolation im Westen

Mit Ausnahme von Nahost-Reisen war der Kronprinz seit dem Mord im Herbst 2018 - den er nach Einschätzung der US-Geheimdienste selbst genehmigte - offiziell nur zum G20-Gipfel nach Japan gereist. Die weitgehende Isolation im Westen löste sich aber mit dem Besuch von US-Präsident Joe Biden im Königreich vor zwei Wochen. Macron hatte den Kronprinzen im Dezember ebenfalls besucht, Mitsotakis reiste 2020 und 2021 in den Wüstenstaat auf der Arabischen Halbinsel. Khashoggi war bei diesen Reisen teilweise ein Thema, aber eben nur eines.

Der faktische Herrscher Saudi-Arabiens, bekannt auch unter dem Kürzel «MBS», bestreitet, die Tötung angeordnet zu haben. Auch wegen des verheerenden Kriegs im Jemen, wo Saudi-Arabien gegen die Huthi-Milizen kämpft, steht der Kronprinz in der Kritik.

Öl im Fokus

Spätestens seit Russlands Überfall auf die Ukraine und der Suche nach neuen Energielieferanten steht Saudi-Arabien - einer der weltgrössten Öl-Förderstaaten - als Gesprächspartner wieder hoch im Kurs. Macron hatte schon vor Wochen dafür plädiert, die Produktion von Erdöl hochzufahren und Liefermengen zu steigern. Vergangene Woche empfing er mit Mohammed bin Sajid den Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate und setzte das Thema Energie dabei an erste Stelle. Laut Élyséekreisen soll es auch nun neben der Nahrungsmittelversorgung und regionalen Krisen um Energie und Öllieferungen gehen.

In Griechenland schert man sich kaum um mögliche saudische Menschenrechtsverletzungen. Bis auf die eine oder andere Karikatur in griechischen Tageszeitungen - etwa Mitsotakis, der beflissen die skizzierten Überreste einer Leiche unter das knöchellange Gewand des Prinzen kehrt - gab es beim Besuch in Athen kein Kontra. Vielmehr war die Stimmung ausgezeichnet: Der Kronprinz wurde am Abend exklusiv auf die Akropolis geführt, am nächsten Tag unterzeichneten Minister und Geschäftsleute beider Seiten Verträge für eine engere Zusammenarbeit.

Athen setzt angesichts der starken Spannungen mit dem Nachbarn Türkei auf den Ausbau seiner Kontakte in den Nahen Osten. Zu den gemeinsamen, neu angekündigten Projekten mit Riad zählt nun auch ein Glasfaserkabel über Land und unter dem Mittelmeer, das Europa und Asien miteinander verbinden soll. Ähnlich wurde bei dem Besuch von US-Präsident Biden in Saudi-Arabien ein Ausbau der 5G-Netze im Königreich mit Hilfe von US-Unternehmen verkündet. Die Griechen hoffen auch auf handfeste saudische Investitionen, etwa im Tourismus.

Kritik und Klage in Frankreich

Für Macron ist der Besuch dagegen ein Drahtseilakt. Die Opposition geizt nicht mit Kritik, und auch Menschenrechtsorganisationen sind vom Empfang des Kronprinzen alles andere als begeistert. Die Organisationen Trial International und Dawn reichten nach eigenen Angaben kurzerhand Klage in Frankreich gegen den Kronprinzen im Zusammenhang mit dem Mord an Khashoggi ein - was Macron Élyséekreisen zufolge dem Kronprinzen gegenüber sicherlich ansprechen werde.

Amnesty International-Chefin Agnès Callamard schrieb auf Twitter: «Die Rehabilitation des Mörderprinzen wird in Frankreich wie in den USA mit Argumenten der Realpolitik verteidigt werden. Aber machen wir uns nichts vor, tatsächlich ist es der Kuhhandel, der dominiert.»

Der französischen Regierung sei bewusst, dass der Empfang des Prinzen «politisch und für den eigenen Ruf delikat ist», sagte Energieexperte Francis Perrin vom Wissenschaftsinstitut IRIS dem Sender RMC. «In ihren Augen sind die Interessen, die für Europa auf dem Spiel stehen, es aber wert. Dieses Land hat die grössten nachgewiesenen Ölreservern nach Venezuela.» Im Kontext des Krieges in der Ukraine komme man um Saudi-Arabien deshalb nur schwer herum. 2020 war Saudi-Arabien auch der grösste Käufer französischer Rüstungsgüter.

Vielleicht auch angesichts der erwarteten Kritik wurde das Treffen in Paris vom Élyséepalast mit minimaler Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Die Bestätigung kam trotz mehrfacher Anfragen von Journalisten erst am Mittwochnachmittag, etwas mehr als 24 Stunden vor der eigentlichen Zusammenkunft. Ein gemeinsames Pressestatement war nicht geplant. Anders in Athen: Dort war der Kronprinz in Plauderlaune und sagte vor Reportern: «Der warme Empfang bedeutet mir und Saudi-Arabien viel».

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