VW: Sind Jobs von 30'000 Mitarbeitern gefährdet?

Das Wichtigste in Kürze
- Manche befürchten, bei Volkswagen könnten 30'000 Jobs gefährdet sein.
- Dies aufgrund von Kostendruck, Chipkrise und der wachsenden Marktmacht von Tesla.
- Um die Äusserung von Vorstandschef Diess ist eine Erregungswelle aufgebrandet.
Bevor alljährlich im November die Milliarden aufs Werksnetz verteilt werden, geht bei VW das grosse Verhandeln los. Immer wieder krachte es dabei auch zwischen Vorstand und Teilen des Aufsichtsrats.
War es eine neue Provokation? Oder ein überfälliger Weckruf? Zuletzt brandete wieder die konzerntypische Erregungswelle bei Volkswagen auf. Dies rund um Aussagen von Vorstandschef Herbert Diess über angeblich 30'000 gefährdete Stellen.
Präziser gesagt: um den genauen Bezug seiner Gedanken in einer Aufsichtsratssitzung. Manche fürchten, dass Europas grösster Autobauer abermals viele Jobs kappen muss. Dies durch Kostendruck, Chipkrise und die wachsende Marktmacht des US-Rivalen Tesla.

Das Management versicherte, es gebe keinerlei konkrete Pläne, erst recht keine Streichliste. Andere glauben: Diess' Äusserungen könnten als Testballon für mögliche weitere Sparpakete dienen. Auch wegen darauffolgender Warnungen an Top-Führungskräfte, man dürfe beim Umbau der Autoindustrie nicht den Anschluss verpassen.
So oder so würde das Timing passen: In drei Wochen (12. November) sollen in Deutschlands grösstem Unternehmen die Entscheidungen zu den Investitionen der kommenden fünf Jahre stehen. Der Planungsrunde zur Belegung der Werke und Verteilung der Milliarden auf einzelne Themen waren schon oft Feilschen und Finten vorausgegangen. Und natürlich geht es auch um Jobs, die an bestehenden und neuen Modellen hängen.
Tesla und Halbleiter im Hinterkopf
Diesmal ist die Gemengelage besonders delikat. Wann wieder ausreichend Halbleiter da sind, um die grösstenteils weiterlaufende Kurzarbeit einzudämmen, ist unklar. Ebenso die Frage, wie gross die Folgen von Teslas «Gigafabrik» bei Berlin für den Automarkt sein werden. Dies befindet sich quasi direkt vor der Haustür des VW-Stammsitzes Wolfsburg.
Um Wolfsburg ging es denn auch bei den neuesten Irritationen. Im September hatte Diess in einer Aufsichtsratsrunde die Zahl 30'000 genannt. Wie er später betonen liess, aber als Extremszenario, falls der Umbruch in Richtung E-Mobilität nicht so vorankomme wie erhofft.

Klar ist: Das VW-Hauptwerk ist inzwischen arg unterausgelastet, 2021 könnte hier so wenig produziert werden wie zuletzt Ende der 1950er Jahre. Aus derzeitiger Sicht dürfte es schwer sein, überhaupt die knappe halbe Million des harten Corona-Jahres 2020 noch zu schaffen.
Der Betriebsrat ist alarmiert. Er verlangt schon länger ein weiteres Elektromodell neben dem Projekt «Trinity». Dieses soll ab 2026 kommen – später als zunächst geplant. Womöglich hat Wolfsburg bei der ID-Reihe auch Chancen für eine Gemeinschaftsproduktion mit anderen Werken.
Personalausgaben werden gedrückt
Selbst wenn der Vorstoss von Diess nicht als Einstimmung auf drohenden Jobabbau erscheinen sollte: Teilnehmer der Sitzung fragen sich, warum der gerade mit einem frischen Vertrag ausgestattete Chef schon wieder derart voranpreschte. Dass VW vor allem bei der Kernmarke die Kosten drücken muss, weiss eigentlich jeder.
Auf den Ende 2016 vereinbarten «Zukunftspakt», der Kürzungen bei parallelem Aufbau neuer Beschäftigungsfelder vorsah, folgte die «Roadmap Digitale Transformation». Ende vorigen Jahres vereinbarten Management und Betriebsrat, dass die Fixkosten der Marke VW bis 2023 um fünf Prozent sinken sollen. Gleichzeitig soll die Rendite zulegen. Die Personalausgaben werden zudem – im Rahmen schon laufender Programme – durch Vorruhestand, Altersteilzeit oder Einstellungsstopps gedrückt.

Mag sein, dass VW da angesichts von Pandemiefolgen, Teilemangel und Transformationsdruck noch einmal nachsteuern muss. Aber warum, so fragen sich einige, kommt das Reizthema in dieser Form jetzt schon wieder so schnell aufs Tapet?
Betriebsrat fordert Klarstellung bei Arbeitsplätzen
Hier die Macher, dort die Blockierer: Diese Konfliktlinie zwischen dem Vorstand und Teilen des Kontrollgremiums war lange die gängige Erzählung in Wolfsburg. Gerade, wenn heikle Entscheidungen vorbereitet werden mussten.
Manche dachten, es werde nun etwas ruhiger und harmonischer. Dies, nach dem Wechsel des langjährigen Betriebsratschefs Bernd Osterloh in den Vorstand der Nutzfahrzeug-Tochter Traton im Mai. Sowie der von Diess forcierten, eigenen Vertragsverlängerung im Juli.

Weit gefehlt, könnte man meinen. Osterlohs Nachfolgerin Daniela Cavallo hatte zwar angekündigt, genauso entschieden für die Belange der Belegschaft einzutreten. Und Diess hatte erklärt, sich auf die Zusammenarbeit mit ihr zu freuen.
Nun verlautete aus Konzernkreisen jedoch, es habe ausgerechnet vor dem Durchrechnen möglicher Sparziele keine Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung gegeben. Danach noch das Poltern im Aufsichtsrat – also alles beim Alten? «Es gibt keine Gedankenspiele über irgendeinen Arbeitsplatzabbau», stellte Cavallo klar – und forderte Diess ebenso zu einer Klarstellung auf.
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