Die Corona-Pandemie droht die Bildungschancen und die Gesundheit von Flüchtlingskindern zusätzlich zu verschlechtern.
Jugendliche Rohingya-Flüchtlinge im Flüchtlingslager Jamtoli in Bangladesch
Jugendliche Rohingya-Flüchtlinge im Flüchtlingslager Jamtoli in Bangladesch - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • NRC: Stressbelastung bei Kindern im Nahen Osten um 45 Prozent angestiegen.

Bereits vor der Krise habe nur rund die Hälfte aller Flüchtlingskinder weltweit Zugang zur Schule gehabt, erklärte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi anlässlich eines neuen Bildungsberichts des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) am Donnerstag. Zudem erhöhte die Angst vor der Pandemie laut dem Norwegian Refugee Council bei geflüchteten Kindern im Nahen Osten die Stressbelastung erheblich.

Nach allem, was die Flüchtlingskinder durchgemacht hätten, «können wir ihnen nicht auch noch die Zukunft nehmen, indem wir ihnen heute ihre Bildung verweigern», erklärte Grandi. Er forderte «innovative Wege, um die entscheidenden Errungenschaften der letzten Jahre in der Flüchtlingsbildung zu bewahren».

1,8 Millionen Flüchtlingskinder seien im vergangenen Jahr nicht zur Schule gegangen, heisst es in dem Bericht. Das entspricht 48 Prozent aller registrierten Flüchtlingskinder. Besonders dramatisch wirkt sich die Corona-Pandemie demnach auf Flüchtlingsmädchen aus. Auf der Grundlage von UNHCR-Daten schätzt der Malala-Fonds, dass die Hälfte aller Flüchtlingsmädchen in der Sekundarstufe nicht mehr in die Schule zurückkehren wird, wenn die Klassenräume in diesem Monat wieder geöffnet werden.

Auch in Deutschland habe die Pandemie deutliche Auswirkungen auf die Bildung von Flüchtlingskindern, erklärte der UNHCR-Repräsentant für Deutschland, Frank Remus. Seit März gebe es bundesweit zwar viele digitale Angebote, um Bildungszugang zu ermöglichen. «Kinder aus Flüchtlingsfamilien haben aber oftmals die notwendigen technischen Tools für diese Unterrichtsformen nicht zur Verfügung, keinen ruhigen Platz zum Lernen, und die Eltern können aufgrund von Sprachbarrieren oder dem eigenen Bildungshintergrund nicht ausreichend Unterstützung anbieten», betonte Remus.

Bei den Daten zum vergangenen Jahr stützt sich der UNHCR-Bericht auf Berichte aus jenen zwölf Ländern, in denen mehr als die Hälfte aller weltweit registrieren Flüchtlinge lebt. Demnach waren 77 Prozent aller Flüchtlingskinder noch in der Grundschule eingeschrieben; in der Sekundarstufe waren es nur noch 31 Prozent. Nur drei Prozent der jungen Menschen mit Flüchtlingsgeschichte waren an einer Hochschule eingeschrieben.

Nach Recherchen der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC) hat die Angst vor dem Coronavirus bei Flüchtlingskindern im Nahen Osten zu einer durchschnittlichen Zunahme von 45 Prozent der Stressbelastung geführt. Demnach fühlen sich in Syrien, Jordanien sowie im Irak und Jemen 88 Prozent der vertriebenen oder geflüchteten Kinder durch das Coronavirus gestresst; 75 Prozent haben Angst vor Ansteckungen; 48 Prozent fürchten, dass sich ein den Kindern nahestehender Mensch mit dem Virus infiziert.

Die Forschungsergebnisse der Organisation würden zeigen, dass Kinder, die vor Krieg und Vertreibung geflohen sind und das Sterben Angehöriger mitansehen mussten, durch die Corona-Pandemie nun eine weitere traumatische Erfahrung erleben. «Wenn diese nicht bewältigt wird, kann das zu ernsten langfristigen psychischen und physischen Erkrankungen führen», erklärte Camilla Lodi, NRC-Regionalberaterin für Psychosoziale Unterstützung.

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