Umfangreiche Korrespondenz von W. H. Auden zufällig entdeckt
Ein Briefwechsel zwischen dem englisch-amerikanischen Lyriker Wystan Hugh Auden und dem Wiener «Callboy» Hugo wurde zufällig entdeckt.

Wystan Hugh Auden? Lange kannte man den englisch-amerikanischen Lyriker und Essayisten hier nur als Thomas Manns schwulen Schwiegersohn. Dann machte der Film «Vier Hochzeiten und ein Todesfall» seinen «Begräbnisblues» berühmt. Und jetzt ist die Forschung zu Audens Werk um einen Aspekt reicher geworden.
Ein umfangreicher Briefwechsel mit W. H. Audens (1907-1973) österreichischem Vertrauten Hugo wurde durch Zufall entdeckt. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird er nun wissenschaftlich erschlossen.
Seit Beginn der 1950er-Jahre hatte Auden, der als Arztsohn im englischen York geboren wurde, zusammen mit seinem Lebenspartner die Sommer im niederösterreichischen Kirchstetten verbracht. Am 29. September 1973 war er nach einem Vortrag in Wien gestorben.
Fund dank ORF-Sendung zum 50. Todestag
Zu seinem 50. Todestag hatte der österreichische Fernsehsender ORF eine Sendung ausgestrahlt, in der ein gewisser «Hugo» erwähnt worden war, ein Wiener «Callboy», den Auden in den 1960er-Jahren kannte. Daraufhin meldete sich eine Frau, die als Alleinerbin Hugos im Besitz des umfangreichen Briefwechsels der beiden Männer war und diesen den Landessammlungen Niederösterreich übergab.
«Dass dieser Bestand überhaupt erhalten blieb, ist ein Glücksfall», sagt die Literaturhistorikerin Sandra Mayer. Sie ist an der Erforschung der Briefe beteiligt. Die rund zehn Jahre währende und etwa 100 Briefe und Postkarten umfassende Korrespondenz zwischen dem weltgewandten Literaten Auden und Hugo, dem Mann aus dem Wiener Arbeitermilieu, offenbare eine überraschend enge, respektvolle Beziehung.
Die Briefe bieten nicht nur literaturwissenschaftlich wertvolle Einblicke, sondern auch gesellschaftshistorische Perspektiven auf die queere Geschichte Österreichs in einer Zeit, als Homosexualität noch strafbar war.
Auden heiratete Erika Mann, um ihre Flucht zu ermöglichen
Auden hatte 1935 Erika Mann geheiratet, die lesbische Tochter von Thomas Mann, um ihr mit einem britischen Pass die Ausreise aus dem nationalsozialistischen Deutschland zu ermöglichen. Auf Gesellschaften pflegte er fortan die Frage zu stellen, wer der grösste literarische Langweiler sei – und sie gleich selber mit «mein Schwiegervater» zu beantworten.
Und im Film «Vier Hochzeiten und ein Todesfall» («Four Weddings and a Funeral», 1994) mit Hugh Grant trauert ein Mann um seinen Lebensgefährten mit den Worten von W. H. Auden: «Stop all the clocks, cut off the telephone» beginnt das titellose Gedicht, das seither als «Funeral Blues» um die Welt geht. «Er war mir Norden, Süden, Ost und West/ mein Arbeitstag, mein Sonntagsfest/ Mein Lied, mein Wort, mein Mittag, meine Nacht./ Ich meint', Liebe währt ewig: doch falsch gedacht».