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Ukraine unter Druck: US-Friedensplan auch Thema bei G20

Keystone-SDA
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Selenskyj steht vor schwerer Wahl: Trumps 28-Punkte-Plan verlangt der Ukraine grosse Zugeständnisse. EU berät über Gegenvorschläge beim G20-Gipfel.

Wolodymyr Selenskyj
Selenskyj muss entscheiden, ob die Ukraine Trumps Friedensplan annimmt. - keystone

Die ukrainische Staatsführung will den US-Friedensplan zur Beendigung des russischen Angriffskriegs nicht einfach hinnehmen und nun selbst Vorschläge für eine Lösung des Konflikts einbringen. Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüsste zwar die Initiative, den Krieg beenden zu wollen. Angesichts des 28-Punkte-Plans von US-Präsident Donald Trump, der der Ukraine grosse und Russland vergleichsweise geringe Zugeständnisse abverlangt, sieht er sein Land aber unter erheblichem Druck und vor einer sehr schweren Wahl.

Selenskyj stimmte sich mit der EU-Führung ab, die am Rande des G20-Gipfels der führenden Industrienationen und Schwellenländer über Trumps Plan und mögliche Gegenvorschläge beraten will. Der US-Präsident hat den Ukrainern bis Donnerstag Zeit gegeben, sich im Grundsatz für seinen Plan zu entscheiden. Kritiker stufen den Abkommensentwurf wegen der harten Bedingungen für Kiew – kein Nato-Beitritt, dauerhafte Abtretung von Gebieten an Russland, Verkleinerung des Heers sowie andere Maximalforderungen Moskaus – als faktische Kapitulationserklärung ein.

Selenskyj sprach von einem der «schwierigsten Momente» in der Geschichte der Ukraine. Sie stehe vor der Entscheidung, entweder ihre Würde zu verlieren oder die USA als Schlüsselpartner. Ohne Unterstützung der grössten Militärmacht, die Waffen an die Ukraine verkauft und Daten für die Kriegsführung gegen Russland bereitstellt, würde eine Fortsetzung des Abwehrkampfs gegen die Invasoren deutlich erschwert.

Trump fordert Ukraine zur Zustimmung des 28 Punkte-Plans auf

Vor Journalisten im Weissen Haus sagte Trump, die Ukraine müsse den Plan billigen. Wenn Selenskyj das nicht wolle, könne er weiterkämpfen – werde irgendwann aber etwas akzeptieren müssen. Auf Nachfrage, ob er selbst mit Selenskyj geredet habe, antwortete Trump bloss, er habe mit dessen Leuten gesprochen – ohne konkreter zu werden.

Der US-Präsident erinnerte auch daran, dass er Selenskyj schon bei dessen Besuch im Oval Office im Februar gesagt habe, er habe in dieser Sache keine guten Karten. Trumps Vize JD Vance warf Kritikern des US-Friedensplans fehlenden Realitätssinn vor.

Wer die vorgeschlagene Lösung ablehne, habe sie entweder missverstanden oder verleugne die wahre Lage, schrieb Vance auf der Online-Plattform X. Mit Geld, Waffen und Sanktionen sei der Krieg nicht zu beenden. Gleichwohl müsse eine Lösung «für Russland und die Ukraine annehmbar sein».

EU-Staaten planen Krisengespräche auf G20-Gipfel

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und andere führende Staats- und Regierungschefs aus Europa werden am Rande des Gipfels in Johannesburg in Südafrika zu Krisengesprächen über den US-Vorstoss zusammenkommen. Das kündigten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa nach einem Gespräch mit Selenskyj an.

Merz hatte am Freitag erstmals mit Trump über den US-Friedensplan für die Ukraine gesprochen. Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte anschliessend, das Telefonat sei «vertrauensvoll und verbindlich» gewesen, «nächste Schritte» der Abstimmung auf Ebene der Berater seien verabredet worden. Merz werde die europäischen Partner darüber informieren.

An dem heutigen Treffen werden nach Angaben von EU-Beamten neben Merz und den EU-Spitzen die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien und Grossbritannien teilnehmen. Zudem sind Irland, Finnland, die Niederlande, Spanien und Norwegen eingeladen, die in diesem Jahr als Gastländer beim Gipfel dabei sind. Die Europäer waren von Trumps Vorstoss überrascht worden und arbeiten nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen nun an einem eigenen Vermittlungspapier, das noch in Abstimmung ist.

Von der Leyen: Keine Entscheidungen ohne Abstimmung mit der Ukraine

Selenskyj teilte zu dem Gespräch mit von der Leyen und Costa mit, er habe die beiden über die Vorschläge der US-Seite für ein Ende des Krieges und über Kontakte zu Partnern in Europa und den USA informiert. «Wir alle schätzen das Engagement Amerikas und Präsident Trumps, den Krieg zu beenden, und wir arbeiten gemeinsam daran, sicherzustellen, dass dies zu einem einheitlichen und vollständig abgestimmten Plan wird», fügte er hinzu.

Von der Leyen und Costa betonten nach dem Gespräch, man sei sich einig, dass nichts ohne die Ukraine entschieden werden dürfe. Bei der Finanzierung ihres Abwehrkampfs gegen Russland ist die Ukraine von der EU abhängig.

Friedensplan sieht viele Zugeständnisse vor: Kein NATO-Beitritt der Ukraine

Mit dem neuen 28-Punkte-Plan der USA würden unter anderem die von Russland annektierten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk sowie die Schwarzmeer-Halbinsel Krim als faktisch russisch anerkannt. Dazu soll die Ukraine qua Verfassung auf den seit langem angestrebten Beitritt zur Nato verzichten, die Grösse ihres Heers auf 600'000 Mann beschränken und atomwaffenfrei bleiben. Im Gegenzug werden nicht näher definierte Sicherheitsgarantien versprochen, dazu fehlen aber jegliche Details.

Zu den vergleichsweise wenigen Zugeständnissen, die der Plan für Moskau vorsieht, gehört der Punkt, dass in der EU eingefrorenes russisches Staatsvermögen für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden soll.

Republikaner äussern Kritik an Trumps Plänen: «Höchstskeptisch»

Selbst innerhalb der Partei Trumps gab es massive Kritik. «Diese von Russland abgefasste Propaganda muss abgelehnt und verworfen werden als das, was sie ist: unseriöser Nonsens», schrieb der republikanische Kongressabgeordnete Brian Fitzpatrick auf X.

Senator Roger Wicker, der dem Verteidigungsausschuss angehört, äusserte sich «höchst skeptisch, dass damit Frieden erreicht wird». Und der langjährige Anführer der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, warnte: «Russlands Gemetzel zu belohnen, wäre desaströs für Amerikas Interessen.»

Putin angeblich offen für eine Friedenslösung

Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich derweil offen für Verhandlungen und bezeichnete Trumps Plan als mögliche Grundlage für eine Friedenslösung. Es handele sich um eine aktualisierte Fassung dessen, was schon früher – etwa bei seinem Treffen mit Trump in Alaska im August – diskutiert worden sei, sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Putin beteuerte, der neue Trump-Plan sei nicht mit der russischen Seite besprochen worden.

Sein Berater Kirill Dmitrijew war zuletzt immer wieder zu Gesprächen in den USA und traf sich dort mit Trumps Sonderbeauftragtem Steve Witkoff. Putin hatte Witkoff auch mehrfach als Gast in Moskau empfangen. Inhaltlich müsse über die Punkte in dem nun vorgelegten Plan noch konkret gesprochen werden, sagte der Kremlchef.

Kreml plant weiteren Einsatz des Militärs und bezeichnet Europäer als «inkompetent»

Zugleich äusserte Putin Zweifel daran, dass Selenskyj sich auf die Vorschläge einlassen wird. «Die Ukraine ist dagegen», sagte er. Offenbar träumten die Ukraine und ihren europäischen Verbündeten immer noch davon, Russland auf dem Schlachtfeld besiegen zu können.

Dabei seien die Europäer inkompetent und hätten keine echten Informationen über die Lage auf dem Schlachtfeld. «Insgesamt passt uns das», sagte Putin zur Linie Kiews. Russland werde seine Ziele auch militärisch erreichen, allerdings weniger schnell.

Schon am Donnerstag hatte Putin bei einem Treffen mit der Militärführung betont, nicht von seinen Kriegszielen abzulassen – man sei aber weiterhin bereit, diese Ziele auf dem Weg friedlicher Verhandlungen zu erreichen. Seinen Krieg gegen das Nachbarland führt Putin bereits seit mehr als dreieinhalb Jahren.

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