Nach dem Beinahe-Putsch Putins im Ukraine-Krieg stellen sich die Wagner-Kämpfer neu auf.
Ukraine-Krieg
Eine Gruppe ukrainischer Soldaten betet während eines von einer örtlichen christlichen Kirche organisierten Gottesdienstes. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wie geht es im Ukraine-Krieg weiter mit der Wagner-Gruppe?
  • Wladimir Putin will aufräumen.

Nach dem weltweit beachteten Beinahe-Putsch in Russland war sie fast totgesagt. Doch die Söldnerarmee Wagner des Milliardärs Jewgeni Prigoschin lebt. Schon wenige Tage nach dem Aufstand im Ukraine-Krieg empfing Präsident Wladimir Putin seinen Ex-Vertrauten Prigoschin mit seinen Kommandeuren im Kreml und besprach offenbar die Zukunft der im Krieg in der Ukraine, in Syrien und in Afrika aktiven Truppe.

Inzwischen agieren Wagner-Leute, die Putin am 24. Juni bei dem Aufstand im Ukraine-Krieg noch als «Verräter» beschimpft hatten, straffrei und beinahe wieder so, als wäre nichts gewesen.

Ganz offiziell sind die Wagner-Kämpfer jetzt auch in Belarus bei Machthaber und Putin-Schützling Alexander Lukaschenko als Militärausbilder im Einsatz.

Ukraine-Krieg: Putin will für Ordnung sorgen

In Russland will Kremlchef Putin angesichts des Wildwuchses von inzwischen 40 freiwilligen Kampfverbänden für Ordnung sorgen. Das Parlament soll eine gesetzliche Grundlage für sie schaffen – ein Unterfangen, das in der Vergangenheit schon scheiterte. Prigoschin lehnte das stets ab.

Zwar zeigten russische Staatsmedien Razzien gegen Prigoschins Firmen in St. Petersburg – und Statussymbole wie Goldbarren, Geldbündel und Orden aus Russland und von den Wagner-Einsätzen in Afrika. Tagelang sah es so aus, als wären Prigoschin und sein Firmenimperium Concord bald Geschichte. Doch er bleibt im Geschäft. Prigoschin verdiente Milliarden mit der Proviantversorgung des Militärs – und investierte stets auch einen Teil des Gewinns etwa in seine Einsätze in Afrika.

Dossier.Center: Marke Wagner wird vorerst weiterleben

Seit Wochen beobachten Investigativjournalisten der russischen Enthüllungsplattform Dossier.Center des Putin-Gegners Michail Chodorkowski in dessen Exil in London, wie Prigoschins Flugzeug zwischen Afrika, Russland und Belarus tourt. Dossier.Center beruft sich auf eigene Informanten in den Wagner-Reihen, nach denen Prigoschin selbst in St. Petersburg bleibt und von dort agiert.

Der 62-Jährige hat zwar sich und seinen Wagner-Leuten eine Auszeit zur Erholung bis Anfang August verordnet. Aber schon unmittelbar nach dem Aufstand sagte auch Russlands Aussenminister Sergej Lawrow, dass Moskau seine Interessen in Afrika nicht aufgeben werde. Während in Syrien nach Analysen von Dossier.Center Russlands Verteidigungsministerium die Kontrolle komplett übernehmen dürfte, soll Prigoschin die Geschäfte des Kreml in Afrika weiter steuern.

«Die Militärpräsenz in den afrikanischen Staaten bleibt im geopolitischen Interesse des Kreml», heisst es bei Dossier.Center. Prigoschin könne so am Ende als Sieger dastehen, der nicht nur sein Leben, sondern auch den harten Kern seiner Söldner gerettet habe. «Die von ihm gegründete Marke Wagner wird vorerst weiterleben.»

Gold und Diamanten für die Kriegskasse

Auf dem afrikanischen Kontinent erstreckt sich Prigoschins Imperium besonders weit: Libyen, Mali, die Zentralafrikanische Republik, Mosambik, Madagaskar und der Sudan gehören zu den Staaten, die Wagner etwa mit Söldnern oder Desinformationsexperten versorgte. Im Gegenzug gibt es Rohstoffe – darunter Gold und Diamanten. Vermutet wurde auch, dass Russland damit seine Kriegskassen füllte.

Besonders abhängig von Wagner sind die Zentralafrikanische Republik und Mali, wo je mehr als 1000 Söldner im Einsatz sein sollen. Die von Rebellen und Terroristen überrannten Staaten setzen auf die Russen, auch wenn das den Bruch mit westlichen Partnern oder gar den Vereinten Nationen bedeutet. In der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui steht ein Denkmal für die Söldner, denen immer wieder auch Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Sie halten Rebellen in Schach und kontrollieren dafür milliardenschwere Teile der Wirtschaft.

Das Fortbestehen des Deals ist für die Regierungen überlebenswichtig. Details sind zweitrangig. «Russland gab uns Wagner, der Rest geht uns nichts an», sagte ein Präsidentenberater der Zentralafrikanischen Republik der «New York Times».

Auch ein hochrangiger Wagner-Vertreter im Land bekundete in einer Mitteilung, dass die Unterstützung für Zentralafrika nicht enden werde. Bei mehreren Flügen zwischen Mali und Russland soll es sich nur um übliche Rotationen gehandelt haben.

«Da die turbulente Zeit mit den Gesprächen zwischen Putin und Prigoschin abzuflauen scheint, werden die Operationen von Wagner in Afrika wahrscheinlich ohne grössere Veränderungen fortgesetzt», meint Westafrika-Experte Mucahid Durmaz der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft. «Selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Auflösung von Wagner wird Russland in der Lage sein, seinen Kundenländern alternative private Militärfirmen anzubieten.»

Die Regierungen riskierten eine allzu grosse Abhängigkeit von den Söldnern. Auch für Russlands strategischen Rückhalt in Afrika könne der Machtkampf Auswirkungen haben: «Die Meuterei wird auch Putins Image des charismatisch starken Mannes untergraben, für das Russland in seinem Engagement auf dem Kontinent offensiv geworben hat.»

In Syrien stand Wagner für die Nähe zum russischen Staat

Bereits seit 2015 sind die Wagner-Söldner offiziell in Syrien aktiv. Dort kämpfen sie mit dem russischen Militär an der Seite von Syriens Machthaber Baschar al-Assad – auch, um Ölfelder für das Regime zu schützen. Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind derzeit noch rund 2000 Söldner im Bürgerkriegsland stationiert.

Der Prigoschin-Aufstand im Ukraine-Krieg hat in Syrien direkte Reaktionen provoziert. Die Wagner-Truppe dort sei gewarnt worden, dass auf Aktivitäten vor Ort Luftangriffe des syrischen und des russischen Militärs folgen würden, teilten die Aktivisten der Beobachtungsstelle mit Sitz in London mit. Die Söldner seien vor die Wahl gestellt worden, sich den russischen Truppen anzuschliessen oder das Land zu verlassen.

Ihre Rolle in Syrien sei eher begrenzt, sagte der politische Analyst Mohanad Hage Ali vom Carnegie Middle East Center der Deutschen Presse-Agentur. Ihre Stärke in Syrien bestehe vor allem in der «mutmasslichen Nähe zum (russischen) Staat». Der Bruch mit dem Staat werde sich sicherlich auf ihre Rolle in Syrien auswirken, sagte Ali.

Russland ist im syrischen Bürgerkrieg neben dem Iran der engste Verbündete der Führung in Damaskus. Nicht zuletzt dank des russischen Militäreinsatzes kontrollieren die Anhänger Assads wieder rund zwei Drittel des Landes.

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