Ukraine-Krieg: Ukrainer flüchtet 220 Kilometer zu Fuss und überlebt
Mariupol ist im Ukraine-Krieg seit Wochen mit russischen Truppen belagert. Deshalb ist ein Mann über 220 Kilometer zu Fuss aus der Hafenstadt geflüchtet.

Das Wichtigste in Kürze
- Weil die ukrainische Stadt Mariupol von Russland belagert wird, fliehen viele Einwohner.
- Einer davon ist Igor Pedin (61), der zu Fuss über 200 Kilometer geflohen ist.
- Trotz mehrerer Begegnungen mit russischen Soldaten hat der Mann die Flucht überlebt.
Kein Auto, kein Fahrrad, nur ein Mann und sein Hund: Ein Mann aus Mariupol ist im Ukraine-Krieg mehrere hundert Kilometer zu Fuss geflüchtet. Obwohl er auf seiner Flucht immer wieder russischen Soldaten begegnet ist, hat er überlebt.
Nein, es handelt sich dabei nicht um ein frei erfundenes Märchen. Es ist die unglaubliche Geschichte des 61-jährigen Igor Pedin. Zusammen mit seinem Hund Zhu-Zhu hat sich Pedin am 20. April dazu entschlossen, die Hafenstadt Mariupol zu verlassen.
Diese war zu diesem Zeitpunkt bereits von Putins Truppen belagert. Als Pedin hörte, dass russische Soldaten von Haus zu Haus gehen und Menschen erschiessen, machte er sich auf den Weg.
220 Kilometer im Ukraine-Krieg bis zur Sicherheit
Sein Ziel, die ukrainisch besetzte Stadt Saporischschja, befindet sich 220 Kilometer westlich von Mariupol. Das ist so, als würde man zu Fuss von Lausanne nach Zürich und noch etwas weiter laufen.
Mit dem Unterschied, dass gerade der Ukraine-Krieg herrscht und einem Konvois von Panzern und schiesswütigen russischen Soldaten entgegenkommen. Trotzdem hat sich Pedin für die Flucht entschieden, schliesslich blieb ihm auch nichts anderes übrig.

Auf seinem Weg wollte er der unsichtbare Mann sein, erzählt Pedin der britischen Zeitung «Guardian». Das ist dem ehemaligen Schiffskoch jedoch nicht gelungen: Bereits am ersten Tag begegnete er am Hafen von Mariupol russischen Soldaten, die verzweifelten Menschen Lebensmittel und Wasser verteilten.
Russische Kontrollen und eine zerstörte Brücke
Als Pedin einen nächsten Kontrollpunkt erreichte, wurde er von Tschetschenen angehalten und zu einem Kommandanten gebracht. Pedin dachte, seine Flucht wäre beendet: «Ich musste mein T-Shirt ausziehen und wurde auf Tattoos abgesucht.»
Danach hätten ihm die Russen die Fingerabdrücke gescannt und Fahndungsfotos gemacht. Ihm wurde ein Dokument der selbsternannten «Volksrepublik Donezk» ausgehändigt. Daraufhin durfte Pedin gehen und machte sich mit seinem Hund auf den Weg zum nächsten Zwischenziel.
Das grösste Hindernis stand Pedin aber noch bevor: Eine Brücke, die er überqueren musste, war von Bomben zerstört worden, sodass sich ein 30 Meter tiefer Abgrund bildete. Über zwei schmalen Balken überquerte der 61-Jährige die Brücke mit Hund und Gepäck trotzdem.
Schliesslich gelangte Pedin nach Saporischschja, wo er im Stadtzentrum auf eine Freiwilligenarbeiterin traf: «Sie rief allen zu, dieser Mann sei zu Fuss aus Mariupol gekommen. Alle blieben stehen und schwiegen. Ich nehme an, das war mein Moment des Ruhms.»
