Der Prozess um die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, bei denen 130 Menschen starben, hat begonnen. Im Mittelpunkt: Mittäter Salah Abdeslam.
Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris
Prozess von Slah Abdeslam lässt Erinnerung an Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris aufkommen. - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Pariser Gerichtshof hat der Prozess um Salah Abdeslam begonnen.
  • Er ist der einzige lebende Täter von den Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015.
  • Damals sind 130 Menschen ums Leben gekommen.

Als Salah Abdeslam im Gerichtssaal zu sprechen beginnt, lässt das die Erinnerung an die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris wieder aufkommen. Er gilt als einziger Überlebender und einer der Haupttäter eines Terrorkommandos. Dieses tötete bei einer islamistischen Anschlagserie in Paris 130 Menschen, verletzte 350 und traumatisierte das ganze Land.

Gleich in seinen ersten Worten zum Prozessauftakt am Mittwoch im Pariser Justizpalast bekennt er sich als Kämpfer des Islamischen Staat. Dies sei sein Beruf.

Sicherheitsmassnahmen für Prozess sind riesig

Umringt von Polizisten und hinter Panzerglas kann er keinen physischen Schaden mehr anrichten. Kooperieren scheint er aber nicht zu wollen, gibt sich stur, verweigert eine einfache Auskunft über seine Eltern. Aus der Fassung bringen kann er das Gericht damit aber nicht.

Terror Paris
Das Gerichtsgebäude ist weiträumig abgesperrt. Der Prozess der Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris hat begonnen. - Keystone

Die Sicherheitsvorkehrungen, die in Frankreich wegen Terrordrohungen ohnehin schon enorm sind, wurden für den «Bataclan»-Prozess noch einmal hochgefahren. Fast 1000 Polizistinnen und Polizisten sichern das Verfahren, der Justizpalast ist weiträumig abgesperrt und von Spezialkräften umringt. Der Staat demonstriert Stärke.

Innen herrscht Ruhe

Ganz anders das Bild im Inneren. Der Verhandlungssaal in hellem Holz und mit weissen Bänken strahlt fast sterile Ruhe aus. Er wurde eigens für das in der französischen Presse «Jahrhundertverfahren» genannte Ereignis hergerichtet. Insgesamt bietet er 550 Menschen Platz, zum Prozessauftakt war ein Grossteil des Saals von den schwarzen Talaren der Anwälte eingenommen.

Angehörige und Betroffene finden im Saal selbst und im Gerichtsgebäude psychologische Betreuung. Auch Übertragungsräume wurden geschaffen, für die, die nicht im Verhandlungssaal sein wollen oder keinen Platz mehr finden.

Die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris führten im Konzertsaal «Bataclan» sowie in Bars und Restaurants zu 130 erschossenen und 350 verletzten Menschen. Am selben Abend sprengten sich ausserdem drei Selbstmordattentäter während eines Fussball-Länderspiels in die Luft. Der IS reklamierte die Anschläge für sich.

Terroranschläge
Einer der Tatorte der Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris: Das Bataclan in Paris. - Keystone

Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris: Zwanzig Angeklagte

Angeklagt sind in dem Prozess zu den Anschlägen nun 20 Verdächtige. Abdeslam (31) steht dabei im Mittelpunkt. 13 weiteren Angeklagten wird die Unterstützung der Terroreinheit vorgeworfen. Sie sollen Papiere besorgt, Abdeslam ausser Landes gefahren oder in zwei Fällen verhinderte Attentäter sein.

Gegen sechs andere Angeklagte wird der Prozess in Abwesenheit geführt. Fünf von ihnen kamen vermutlich in der Zwischenzeit in Syrien ums Leben, einer ist wegen Terrorvorwürfen in der Türkei inhaftiert.

Prozess
Der Prozess um die Terroranschläge in Paris. - Keystone

Der Mehrheit der Angeklagten drohen in dem bis Mai 2022 angesetzten Verfahren 20 oder mehr Jahre Haft. Abdeslam wurde wegen Schüssen auf die Polizei kurz vor seiner Festnahme bereits in Belgien zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Der Prozess ist in Frankreich seit Tagen eines der wichtigsten Gesprächsthemen. Zahlreiche Überlebende schilderten erneut das kaum fassbare Grauen, das sie erlebt haben, und ihre schwere Suche nach einem Leben danach.

Gaëlle überlebte nur knapp

Gaëlle (39) etwa erklärte der Zeitung «Le Parisien», wie sie im «Bataclan» von Kalaschnikow-Schüssen getroffen auf dem Boden lag. «Das dauerte sehr lange, ich bekam Halluzinationen, als mein Bewusstsein schwand. Ich sah meinen Sohn vor mir, der sagte: Mama, du musst aufstehen. Ich wollte nicht, dass er mich verliert.»

Schliesslich brachte ein Polizist sie aus dem Saal, mit weiteren Schwerverletzten lag sie zunächst auf dem Boden eines Restaurants. Um ihre zertrümmerte Gesichtshälfte zu rekonstruieren, brauchte es bis heute 40 Operationen. Ihr Freund Mathieu, der sie begleitet hatte, kam nicht mehr lebend aus dem Saal.

Yolande Meaud verlor Zwillingstöchter

Yolande Meaud verlor in der Terrornacht ihre Zwillingstöchter Charlotte und Emilie, erschossen auf der Terrasse des Cafés «Carillon». «Ich möchte, dass die verborgenen Wahrheiten ans Licht kommen und erfahren, ob es Schwachstellen in den staatlichen Strukturen gibt. Davon gehe ich aus», sagte sie zum Prozessstart dem Sender France Bleu.

Carillion
Der Eingang des Cafés «Carillion». - Keystone

«Der Prozess ist eine Sache, aber das ist natürlich nicht das Ende des Schmerzes, den man empfindet.» Ihrer Töchter gedenke sie ein Mal pro Jahr bei einem Besuch auf der Terrasse des Cafés, wo sie gestorben sind.

Prozess von historischen Dimensionen

Der Vorsitzende Richter Jean-Louis Périès spricht zu Beginn von einem aussergewöhnlichen und historischen Prozess. Nicht zuletzt angesichts des enormen Leids, das die Betroffenen erfahren haben.

Allein der Rahmen ist beachtlich. Der monatelang intensiv vorbereitete Prozess versammelt mehr als 1700 Nebenklägerinnen und Nebenkläger. Die ersten beiden Prozesstage werden daher damit zugebracht, ihre Namen zu verlesen.

Später sollen dann etwa 300 Opfer und ihre Angehörige das Erlebte schildern. Unter ihnen ist auch der damalige französische Präsident François Hollande. Trotz des Riesenaufgebots wird der Prozess die vom Terror in der Seele Frankreichs geschaffenen Wunden nur in Teilen heilen können.

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