Taliban-Kämpfer umzingeln Provinzhauptstadt Kala-i-Naw nach Angriff
Die Taliban haben die afghanische Provinzhauptstadt Kala-i-Naw umstellt. Viele der Bewohner sind aus ihren Häusern geflohen.

Das Wichtigste in Kürze
- Nach Kämpfen mit Regierungstruppen kreisen die Taliban die Stadt Kala-i-Naw ein.
- «Es ist kaum jemand auf den Strassen», sagt eine Einwohnerin.
- Der Angriff der Taliban erfolgte nach der Meldung über den Fortschritt des US-Abzugs.
Nach einem Angriff auf die afghanische Provinzhauptstadt Kala-i-Naw und heftigen Kämpfen mit den Regierungstruppen haben die Taliban die Stadt umzingelt. Taliban-Kämpfer durchstreiften Kala-i-Naw im Nordwesten Afghanistans am Donnerstag auf Motorrädern. Nach Angaben einer Vertreterin des Provinzrats von Badghis, Sia Gul Habibi, stehen alle Bezirke unter der Kontrolle der Islamisten. «Die Menschen haben grosse Angst», sagte sie.
Viele der 75'000 Bewohner der Stadt seien aus ihren Häusern geflohen – entweder in benachbarte Bezirke oder nach Herat. «Die Geschäfte sind geschlossen und es ist kaum jemand auf den Strassen», sagte ein Einwohner. Hubschrauber und Flugzeuge hätten die ganze Nacht hindurch Ziele der Taliban bombardiert.
Berichten zufolge nahmen die Taliban kurzzeitig mehrere Polizeireviere und Stützpunkte des Geheimdienstes ein, wurden später jedoch wieder zurückgedrängt. Laut Behördenangaben ergaben sich einige Sicherheitsbeamte den Islamisten.
Sturm begann nach Meldung zu US-Abzug
Diese sollen die Tore des Stadtgefängnisses geöffnet und hunderte Gefangene freigelassen haben. Die meisten wurden den Angaben zufolge später jedoch wieder gefangengenommen.
In der Nacht teilte das Verteidigungsministerium mit: Es habe hunderte Kommandotruppen in die Stadt geschickt, um eine «gross angelegte Operation» zu starten. Die Kämpfe scheinen sich auch auf die Nachbarprovinz Herat auszuweiten, wo die Behörden zwei Bezirke an die Islamisten verloren haben.
Der Sturm auf Kala-i-Naw hatte am Mittwoch begonnen. Nur wenige Stunden nach der Erklärung der US-Armee, dass der Rückzug aus Afghanistan zu 90 Prozent vollzogen sei.
Seit Beginn des Abzugs der US- und Nato-Truppen im Mai haben sich die Kämpfe massiv verstärkt. Beobachter befürchten, dass die Miliz nach dem vollständigen Abzug der internationalen Streitkräfte wieder die Macht in dem Land übernehmen könnte. Die Islamisten sind in vielen Landesteilen auf dem Vormarsch.