Auf den Fachkräftemangel in der Wirtschaft mit einer Verlängerung der Arbeitszeit zu reagieren, ist laut einer Analyse nicht hilfreich und im schlimmsten Fall kontraproduktiv.
Restaurant in München
Restaurant in München - AFP

Lange Arbeitszeiten erhöhten nicht nur die Fehleranfälligkeit, sondern «auch Erschöpfung und Unfälle nehmen zu», heisst es in der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Entscheidender sei vielmehr, flexible Arbeitsmodelle anzubieten und die Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz zu stärken.

An vielen Arbeitsplätzen herrschten mittlerweile verdichtete Arbeitsabläufe und eine hohe körperliche und psychische Belastung. Eine Verlängerung der wöchentlichen oder der Lebensarbeitszeit hätte womöglich eine geringere Produktivität und Leistung zur Folge, letztlich drohten auch komplette Ausfälle, «aus Gründen des Verschleisses oder aus Vereinbarkeitsproblemen», warnten die Forschenden Eike Windscheid und Yvonne Lott. «Das vermindert Sozialkassenbeiträge.» Ausserdem würden zusätzlich die verbliebenen Beschäftigten geschwächt, denen Mehrarbeit droht.

Eine weitere Folge könnte sein, dass sich Beschäftigte angesichts der Belastung erst recht in Teilzeitmodelle zurückziehen, was dann den Fachkräftemangel noch verschärfen würde. Junge Menschen und junge Eltern könnten wegen fehlender flexibler Arbeitsmöglichkeiten ihre Familienpläne über Bord werfen oder sich aus Mangel an Vereinbarkeit aus dem Berufsleben zurückziehen.

Gefragt seien vielmehr flexible Arbeitszeitmodelle mit Wahlarbeitszeiten und einer hohen Mitbestimmung. Das sei nicht nur für Familien, sondern auch für Ältere geeignet, schreiben die Forschenden. Ausserdem müsse das vorhandene Potenzial an Fachkräften besser genutzt werden - so müssten etwa in der Pflege die Arbeitsbedingungen verbessert werden, damit Ausgeschiedene zurückkehren.

Wichtig sei es auch, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, indem Belastungen identifiziert und bearbeitet werden. Arbeitsplätze müssten altersgerecht gestaltet werden, um ein «Älterwerden im Betrieb» zu ermöglichen.

Erst am Montag hatte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit konstatiert, dass der Bedarf an Arbeitskräften enorm sei und auch bleiben werde. Der Index zur Bestimmung der Arbeitskräfteknappheit erreichte demnach im August einen neuen Höchststand. Es wird also immer schwieriger, passende Arbeitskräfte zu finden, was wiederum das Beschäftigungswachstum hemmt.

Wegen des hohen Fachkräftemangels laden mehrere Ministerien zum Fachkräftegipfel in Berlin ein. Das Treffen von «zentralen Akteuren aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik» ist laut Arbeitsministerium für den 7. September geplant und findet auf Einladung des Wirtschafts-, des Bildungs- und des Arbeitsministeriums statt.

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