Student nach Ritual an Uni behindert – Prozess in Frankreich
Eine französische Studentenverbindung muss sich vor Gericht verantworten, nachdem ein Aufnahmeritual einen Studenten dauerhaft beeinträchtigte.

Eine renommierte französische Studentenverbindung steht wegen eines Aufnahmerituals vor Gericht, das für einen Studenten mit einem gefährlichen Sturz und dauerhafter Behinderung geendet hat.
Der damals 20 Jahre alte Student der Wirtschaftshochschule im nordfranzösischen Lille wollte 2013 in die Verbindung aufgenommen werden, die für einen europaweit bedeutenden Segelwettbewerb bekannt ist, berichteten die Sender BFMTV und Europe1.
Während des Aufnahmeabends seien die Studenten gezwungen worden, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und grosse Mengen hochprozentigen Alkohols zu trinken. Weil der 20-Jährige anschliessend nicht mehr in der Lage war, mit den übrigen in eine Disco zu ziehen, wurde er in einem Haus zurückgelassen.
Gefährlicher Sturz nach dem Ritus
Dort stürzte er nachts unter ungeklärten Umständen in einen Innenhof und verletzte sich schwer. Der Student erschien auf eine Krücke gestützt vor Gericht und sprach von einem «destruktiven, entmenschlichenden Klima» in den Traditionen, die diese Vereinigung aufrechterhält.
Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist auch die spätere Busfahrt für die übrigen Teilnehmer der Aufnahmeprüfung. Auf der Fahrt nach Südfrankreich wurden die Studienanfänger laut Anklage gezwungen, sich schweigend zu ducken, Alkohol zu trinken und einen toten Fisch zu küssen.
Verbotene Rituale weitverbreitet
Aufnahmerituale in Studentenverbindungen, die sogenannten Bizutages, zu denen oft exzessiver Alkoholkonsum und Erniedrigungen gehören, sind in Frankreich eigentlich seit 1998 verboten. Sie können mit bis zu sechs Monaten Haft und 7500 Euro Bussgeld bestraft werden.
Es gibt sogar ein nationales Komitee gegen Aufnahmerituale (CNCB). Dennoch sind entsprechende Aufnahmewochenenden mit Mutproben, viel Alkohol und Erniedrigungen bis heute insbesondere an Elitehochschulen in Frankreich weitverbreitet.
Ein weiterer Prozess wegen des Tods eines Medizinstudenten nach einem Einführungsabend ebenfalls in Lille war von wenigen Wochen vertagt worden. Der betrunkene 19-Jährige war 2021 auf dem Rückweg von einer Brücke auf eine Autobahn gestürzt und von einem Lastwagen tödlich erfasst worden. Die Eltern des jungen Mannes glauben, dass er zu einer Mutprobe auf der Brücke gedrängt wurde.