Bundesregierung und Ständige Impfkommission (Stiko) bemühen sich, Hindernisse für die Booster-Impfungen gegen das Coronavirus aus dem Weg zu räumen.
Corona-Impfung
Corona-Impfung - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Spahn: Sechs-Monats-Frist nur als «Richtschnur» verstehen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte in einem Schreiben an die Ärzteschaft deutlich, dass die Auffrischungsimpfungen auch schon etwas früher als sechs Monate nach dem vollständigen Impfschutz verabreicht werden können. Die Impfkommission dürfte die Booster-Impfungen bald für alle Menschen ab 18 Jahren empfehlen.

Spahn schrieb gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, an alle Vertragsärztinnen und -ärzte in Deutschland mit Blick auf die Impf-Auffrischungen: «Der gemäss Zulassung vorgesehene Abstand von sechs Monaten zur vollständigen Immunisierung bei Personen ab 18 Jahren ist als zeitliche Richtschnur zu verstehen, der natürlich nicht tagesgenau einzuhalten ist.»

Die Entscheidung darüber liege «im eigenen Ermessen» der Ärztinnen und Ärzte, hiess es dazu weiter in dem Schreiben, über das zuerst der Berliner «Tagesspiegel» berichtet hatte. Betont wird darin auch erneut, Booster-Impfungen könnten alle Erwachsenen erhalten, «auch wenn sie nicht zu den Risikogruppen gemäss der aktuellen Stiko-Empfehlung wie ältere Personen, Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches und pflegerisches Personal gehören».

Ziel des Aufrufs sei, dass Patientinnen und Patienten nicht in Arztpraxen abgewiesen würden, wenn sie vor Ablauf der sechs Monate wegen einer Auffrischungsimpfung nachfragen, sagte dazu ein Sprecher des Gesundheitsressorts. Allerdings solle die Sechs-Monats-Frist weiterhin «eine Richtschnur» bleiben.

Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens kündigte am Dienstagabend in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» eine Änderung der geltenden Empfehlung von Booster-Impfungen nur für Ältere und Risikogruppen an. Das Gremium werde an diesem Mittwoch über eine Aktualisierung beraten, wonach allen Erwachsenen die Auffrischung des Impfschutzes angeboten werden solle. «Das wird nicht lange dauern», sicherte Mertens zügige Beratungen zu.

Die bisherige Beschränkung der Empfehlung auf Menschen ab 70 sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und weitere Angehörige von Risikogruppen wie medizinisches Personal war vielfach auf Kritik gestossen. Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder hatten das Boostern schon länger für alle Erwachsenen empfohlen.

Mertens bemühte sich, diese Diskrepanz herunterzuspielen. Da Ältere und Vorerkrankte zuerst geimpft worden seien, würden sie mit der Sechsmonatsregel auch zuerst aufgefrischt. Ein Gegensatz zwischen der Stiko-Empfehlung und den politischen Aussagen sei daher «eigentlich gar nicht gegeben», sagte der Stiko-Vorsitzende.

Einige Ärztevertreter und Patientenschützer äusserten sich allerdings kritisch zur Freigabe des Boosterns für alle Erwachsenen. «Vor allem bei weniger gefährdeten jüngeren gesunden Menschen ist es nach den bisherigen medizinischen Erkenntnissen nicht erforderlich, auf den Tag genau nach sechs Monaten eine Booster-Impfung durchzuführen», sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, der Funke Mediengruppe. Sie seien auch danach vor schweren Krankheitsverläufen geschützt. Zudem dürften Booster-Impfungen womöglich schon deutlich vor der Sechsmonatsfrist nicht «zu Lasten von vulnerablen Patienten erfolgen».

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach sich aus diesem Grund beim Boostern für eine ähnliche Vorrangprüfung für bestimmte Bevölkerungsgruppen aus, wie es sie zu Beginn der Corona-Impfkampagne gegeben hatte: «Eine Priorisierung nach Alter, Krankheit sowie Berufsgruppe muss erneut in Betracht gezogen werden», sagte er den Funke-Zeitungen. Zumindest solle generell die Sechs-Monats-Frist abgewartet werden, auch um einen «Impfansturm» auf Arztpraxen zu vermeiden.

Einen klaren Fahrplan für die Millionen Erst-, Zweit- und Drittimpfungen in diesem Herbst und Winter forderte die Bundesärztekammer. Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte laut einem Bericht der Funke Mediengruppe in einem Schreiben an die Regierungen von Bund und Ländern zudem die Reaktivierung vorhandener Impfzentren sowie «Popup-Impfstellen» in Wohngebieten. Auf mehr Tempo bei den Booster-Impfungen drängte der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gass, im «Handelsblatt».

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