In Estland hat fast ein Drittel aller Wahlberechtigten nach vorläufigen Angaben seine Stimme bei den Parlamentswahlen vorzeitig elektronisch abgegeben – ein neuer Rekord.
Wähler geben in einem Wahllokal in einem Einkaufszentrum in Tallinn ihre Stimme ab. Foto: Guo Chunju/XinHua
Wähler geben in einem Wahllokal in einem Einkaufszentrum in Tallinn ihre Stimme ab. Foto: Guo Chunju/XinHua - dpa-infocom GmbH

Doch nicht alle Esten sind von der seit 2005 bestehenden Möglichkeit des «E-Voting» angetan.

«Zu Hause im Internet abzustimmen ist ein klein wenig langweilig. Wenn man es im Wahllokal macht, spürt man, dass man es wirklich tut – hier hat man irgendwie ein besseres Gefühl», sagte die Verkäuferin Tanja (38) am Sonntag vor einem Wahllokal in einem Einkaufszentrum in der Hauptstadt Tallinn.

Ähnlich meinten auch mehrere andere Befragte verschiedenen Alters und Geschlechts, traditionell lieber ins Wahllokal zu geben als online abstimmen. Einige Wähler und Paare, die mit Kindern zur Abstimmung gekommen waren, gaben an, ihrem Nachwuchs einmal zeigen zu wollen, wie eine Wahl in echt so abläuft. Gegen das «E-Voting» an sich hatten sie aber generell nichts – anders als mehrere Befragte, die Zweifel an der Funktionssicherheit der Stimmabgabe per Internet äusserten.

Manche überzeugte Online-Wähler mussten sich dagegen notgedrungen in die Warteschlangen einreihen. «Ich habe ich vergessen, rechtzeitig online zu wählen», sagte die kaufmännische Angestellte Oljana (22). Bei anderen Stimmberechtigten dagegen war nach eigenen Angaben die ID-Karte abgelaufen, nicht funktionsfähig oder verloren gegangen.

Auch der Europa-Abgeordnete Riho Terras (55) macht sein Kreuz sonst zu Hause am Computer. Gemeinsam mit seiner Mutter trat er am Sonntag aber bewusst den Gang ins Wahllokal an. «Da ist ich das erste Mal selbst für die Riigikogu kandidiere, habe ich mich entschieden, dass ich physisch abstimme. Das war eher eine emotionale Entscheidung», sagte er. Der frühere Armeechef des baltischen EU- und Nato-Landes trat bei der Wahl für die konservative Partei Isamaa an.

Die Kundenbetreuerin Sila (45) führte dagegen ein ganz anderer Grund ins Wahllokal. «Ich arbeite für eine deutsche Firma, daher kann ich das Programm nicht auf meinem Arbeitsrechner installieren. Und ich besitze keinen eigenen Computer», sagte sie. Für das «E-Voting» benötigten die 1,2 Millionen Esten einen Computer, eine ID-Karte und ein spezielles Kartenlesegerät. Zur Online-Abstimmung muss zudem eine App von Webseite der Wahlbehörde herunterladen werden.

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