Regierungserklärung: Merz wirbt für gemeinsame Kraftanstrengung
Bundeskanzler Friedrich Merz rief in seiner ersten Regierungserklärung zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf – um Deutschland voranzubringen.

Der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat in seiner ersten Regierungserklärung eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Menschen in Deutschland gefordert, um das Land wieder nach vorn zu bringen. «Der Staat, das sind wir alle», sagte er im Bundestag. «Wir können alle Herausforderungen, ganz gleich, wie gross sie auch sein mögen, aus eigener Kraft heraus bewältigen.»
Konkret kündigte der Christdemokrat im Parlament mehr Abschiebungen von Ausländern ohne Bleiberecht an, versprach «Wohlstand für alle» und einen «neuen Generationenvertrag». Ziel sei, dass bis zum Sommer erste Ergebnisse eines Politikwechsels spürbar sein würden.
Merz war am 6. Mai erst im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt worden. Gut eine Woche nach dem verstolperten Start stellte er sein Programm für die Regierungsarbeit seiner Christdemokraten (CDU und CSU) mit der sozialdemokratischen SPD vor. Dabei hielt er sich weitgehend an den zwischen den Parteien ausgehandelten, 144-seitigen Koalitionsvertrag.
Drei Prioritäten: Wohlstand, Sicherheit, Zusammenhalt
Seine Regierung sei sich der grossen innenpolitischen und internationalen Herausforderungen bewusst. «Nicht zuletzt auch in Bezug auf die öffentlichen Finanzen», sagte der Kanzler. Deutschland sei aber stark genug, um die anstehenden Herausforderungen zu bestehen.
Merz nannte drei prioritäre Ziele: Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt. Er reaktivierte dabei ein Versprechen aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik. «Wir wollen regieren, um das Versprechen vom ‹Wohlstand für alle› zu erneuern», sagte er gleich zu Beginn seiner Rede.
Dieses Versprechen stammt von Ludwig Erhard, der von 1949 bis 1963 Wirtschaftsminister und anschliessend drei Jahre Kanzler war und dessen Name eng mit dem sogenannten «Wirtschaftswunder» der Nachkriegszeit verbunden ist. In den 50er-Jahren hat er ein Buch mit dem Titel «Wohlstand für alle» geschrieben.
Migration: Deutschland bleibt Einwanderungsland
Merz betonte zwar, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. Er kündigte aber gleichzeitig mehr Abschiebungen an.
«Wir haben zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen und zu viel gering qualifizierte Migration in unseren Arbeitsmarkt und vor allem in unsere sozialen Sicherungssysteme ermöglicht», sagte er im Rückblick auf die Jahre seit 2015.
Mit intensivierten Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen werde man nun für mehr Ordnung in der Migrationspolitik sorgen.
Aussenpolitik: Ukraine-Unterstützung wird fortgesetzt
Der Ukraine versprach Merz eine weiterhin kraftvolle Unterstützung. «Dabei ist klar: Wir sind nicht Kriegspartei und werden dies auch nicht werden», versicherte der CDU-Chef. «Aber wir sind eben auch nicht unbeteiligte Dritte oder neutrale Vermittler sozusagen zwischen den Fronten.»
Der Westen dürfe sich dabei nicht spalten lassen. «Deshalb werde ich weiter alle Anstrengungen unternehmen, um auch weiterhin grösstmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen.» Zuletzt war der Eindruck entstanden, US-Präsident Donald Trump könnte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Kosten der Ukraine und gegen den Willen der Europäer bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe stark entgegenkommen.
Was Israel angeht, erneuerte Merz für die – wegen der Farben der beteiligten Parteien sogenannte – schwarz-rote Regierung das Versprechen: «Existenz und Sicherheit Israels sind unsere Staatsräson.» Dazu gehöre auch, dass sich die Bundesregierung für einen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln und einen raschen Frieden in der Region einsetze, fügte er hinzu. Man erwarte von der israelischen Regierung zudem eine bessere humanitäre Versorgung der Menschen im Gazastreifen.
Wirtschaft: Bessere Rahmenbedingungen
Für die Wirtschaft versprach Merz bessere Rahmenbedingungen: mit Steuererleichterungen, Investitionen in die Infrastruktur und weniger Bürokratie. «Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut», sagte er.
An den deutschen, europäischen und internationalen Klimazielen halte man fest. Man setze dabei aber vor allem auf die Bepreisung des Treibhausgases CO2. «Die Einnahmen daraus werden wir nicht im Staatshaushalt vereinnahmen, sondern gezielt an die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben», sagte Merz zu.
Finanzen: Vorsicht bei Kreditspielräumen
Bei den neuen Kreditspielräumen der Regierung mahnte Merz zur Vorsicht. «Wir müssen mit diesen Möglichkeiten äusserst behutsam umgehen, denn diese Schulden lösen Zinszahlungen aus, und sie müssen auch eines Tages wieder zurückgezahlt werden», sagte er.
Kredite liessen sich daher nur rechtfertigen, «wenn wir mit diesem Geld dauerhaft und nachhaltig den Wert unserer Infrastruktur steigern und das Leistungsvermögen unseres Landes insgesamt verbessern».
Die Koalitionsparteien hatten vereinbart, die in Deutschland geltende Schuldenbremse – die der Neuverschuldung des Staates enge Grenzen setzt – zu lockern. Die Regierung will in dieser Legislaturperiode bis zu 150 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Infrastrukturtopf nutzen. Dieser soll insgesamt mit 500 Milliarden gefüllt werden, ist aber auf zwölf Jahre angelegt.
Arbeit: Mindestlohn nicht gesetzlich
Merz erteilte gesetzlichen Vorgaben für die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro eine Absage. Die Koalition habe vereinbart, an der unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten, sagte der konservative Politiker in seiner Regierungserklärung.
Man halte einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 angesichts der Tarifentwicklung für erreichbar und wünschbar. «Aber wir werden ihn nicht gesetzlich festschreiben», betonte Merz.
Damit hielt sich Merz an die Formulierung im Koalitionsvertrag, widersprach aber einem Vorstoss der SPD. Der Sozialdemokrat Matthias Miersch hatte im April darauf hingewiesen, dass 15 Euro Mindestlohn notfalls auch per Gesetz erreichbar seien. Der gesetzliche Mindestlohn liegt in Deutschland derzeit bei 12.82 Euro.