In Kasachstan haben die Bürger am Sonntag über eine Verfassungsreform abgestimmt, welche die immer noch grosse Machtstellung des früheren Staatschefs Nursultan Nasarbajew schwächen würde.
Frau in Wahllokal in Kasachstan
Frau in Wahllokal in Kasachstan - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Präsident Tokajew strebt Schwächung von Vorgänger Nasarbajew an .

Die letzten Wahllokale schlossen um 17.00 Uhr (MESZ). Eine Stunde zuvor hatte die Wahlkommission die Beteiligung mit knapp 68 Prozent angegeben. Vorläufige Ergebnisse des Referendums wurden noch für Sonntagabend erwartet. Die Abstimmung fand unter dem Eindruck der blutigen Massenproteste vom Januar statt.

Präsident Kassym-Schomart Tokajew hatte die von ihm angestrebten Verfassungsänderungen als Stärkung des Parlaments beworben. Beobachter unterstrichen jedoch, dass die Reform insbesondere die Stellung seines weiterhin sehr einflussreichen Vorgängers Nasarbajew schwächen würde.

Die Verabschiedung der neuen Verfassung galt als so gut wie sicher, es gab keine sichtbare «Nein»-Kampagne. Selbst Nasarbajew, der seit Januar nur selten öffentlich aufgetreten war, sagte in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Interview, dass er Tokajew und die Verfassungsänderungen unterstütze.

Nasarbajew hatte Tokajew zu seinem Nachfolger bestimmt, als er 2019 nach fast drei Jahrzehnten im Amt zurückgetreten war. Der inzwischen 81-Jährige behielt aber den Verfassungstitel des «Elbasy» («Anführer der Nation»), der ihm grossen Einfluss auf politische Entscheidungen gewährt. Diesen Titel soll Nasarbajew durch die Verfassungsreform verlieren.

Eine weitere Änderung soll verhindern, dass Verwandte des Präsidenten Regierungsämter bekleiden - was ganz offensichtlich auf die Familie Nasarbajews abzielt. Allerdings hatten diverse Angehörige und Vertraute des Ex-Präsidenten bereits seit den Ausschreitungen vom Januar ihre Ämter verloren, wodurch Tokajew seine Position stärken konnte.

Die Proteste im Januar hatten sich an einer Erhöhung der Gaspreise entzündet. Sie begannen friedlich, schlugen dann aber in blutige Ausschreitungen um, die von den Sicherheitskräften gewaltsam und mit Hilfe russischer Truppen beendet wurden. Mehr als 230 Menschen wurden getötet. Tokajew machte «Banditen» sowie «Terroristen» mit Verbindungen ins Ausland für die Zusammenstösse verantwortlich. Die Hintergründe blieben weitgehend unklar.

Alnur Iljaschew, ein langjähriger Regierungskritiker, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Abstimmung über die Verfassung sei ein Versuch, Tokajew nach der Gewalt im Januar zu «legitimieren» und den Rückzug seines Vorgängers zu «formalisieren». Die Verfassungsänderungen seien «ohne die Beteiligung der protestorientierten Zivilgesellschaft oder führender Menschenrechtsaktivisten» ausgearbeitet worden.

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