Boris Johnson muss Downing Street räumen. Die neue Regierungschefin Liz Truss hat derweil grössere Sorgen.
Liz Truss trifft nach ihrem Sieg bei der Wahl zur Vorsitzenden der Konservativen Partei in deren Zentrale in Westminster ein.
Liz Truss trifft nach ihrem Sieg bei der Wahl zur Vorsitzenden der Konservativen Partei in deren Zentrale in Westminster ein. - Kirsty Wigglesworth/AP/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Liz Truss ist die neue Premierministerin von Grossbritannien.
  • Die Chefin der Konservativen Partei wird heute Boris Johnson ablösen.

Die neue Chefin der Konservativen Partei in Grossbritannien, Liz Truss, wird heute Boris Johnson an der Spitze der Regierung ablösen. Beide reisen dazu nach Schottland, wo Staatsoberhaupt Queen Elizabeth II. zunächst den Rücktritt des bisherigen Premierministers Johnson absegnen und anschliessend Truss mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen soll.

Die Königin hält sich traditionell von Mitte Juli bis Mitte September auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral auf. Dass sie die Politiker nicht im Buckingham-Palast in London empfängt, hat mit den Mobilitätsproblemen der 96 Jahre alten Monarchin zu tun, die mit Liz Truss inzwischen drei Premierministerinnen und 12 Premierminister während ihrer Regentschaft gesehen hat.

Plant Johnson ein Comeback?

Johnson will noch vor seiner Abreise nach Schottland eine Rede an die Nation halten. Gemunkelt wird, er plane bereits sein politisches Comeback. Zu rechnen ist zumindest damit, dass er sich auch in Zukunft häufig zu Wort melden wird. Truss wird nach ihrer Ernennung durch die Queen zunächst nach London zurückkehren, bevor sie sich am Nachmittag von der Londoner Downing Street aus an die Britinnen und Briten wenden will.

Erwartet wird, dass Truss dabei die Umrisse eines Plans vorlegen wird, mit dem der enorme Anstieg der Lebenshaltungskosten abgefedert werden soll. Auch in Grossbritannien geht die Furcht um, dass die infolge des Ukraine-Kriegs hochschnellenden Energiekosten Millionen Haushalte in finanzielle Schieflage bringen könnten.

Einem Bericht der Boulevardzeitung «Sun» zufolge sollen daher die Preise für Gas und Strom eingefroren werden - ein Vorhaben, das den britischen Staat laut Bericht mindestens 40 Milliarden Pfund (rund 46,5 Milliarden Euro) kosten dürfte. Sollte Truss gleichzeitig an ihren Ankündigungen festhalten, Steuern zu senken, dürfte das zu einem schwierigen Spagat werden. Hinzu kommen die Probleme des chronisch unterfinanzierten Gesundheitsdiensts NHS und massive Unzufriedenheit im öffentlichen Sektor über Löhne und Gehälter.

Truss mit recht knapper Mehrheit

Schon jetzt ist die Unterstützung, die Johnsons Nachfolgerin in der eigenen Partei und innerhalb ihrer Fraktion geniesst, keinesfalls uneingeschränkt. Truss wurde am Montag nach einem wochenlangen parteiinternen Auswahlprozess nur mit relativ knapper Mehrheit zur Parteichefin gekürt. Die bisherige Aussenministerin konnte sich bei der Abstimmung unter den Tory-Mitgliedern zwar gegen Ex-Finanzminister Rishi Sunak durchsetzen, allerdings weniger deutlich als zunächst gedacht.

Für Truss stimmten etwa 81'000 Parteimitglieder, Sunak erhielt etwa 60'000 Stimmen. Truss fuhr damit das schlechteste Ergebnis seit Einführung der Wahl durch die Parteimitglieder Anfang des Jahrtausends ein. In der Parlamentsfraktion hatte sie zunächst sogar weniger Unterstützer als der etwas moderatere Rivale Sunak.

Das erhöht den Druck auf Truss, umgehend bei den Wählern einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Bisher gelang ihr das nicht, wie eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov am Montag zeigte. Demnach waren 50 Prozent der Befragten enttäuscht, dass Truss ihre Premierministerin werden soll. Nur 22 Prozent zeigten sich zufrieden. Ähnlich schlecht sehen derzeit die Umfragewerte der Konservativen im Verhältnis zur oppositionellen Labour-Partei aus.

Erschwerend kommt für Truss hinzu, dass sie sich dem rechten Flügel ihrer Partei angedient hat, zu dessen Dogmen ein schlanker Staat und eine harte Haltung gegenüber der EU gehören. Für viele ihrer Unterstützer sei die reine ideologische Lehre wichtiger als die Einheit der Partei, warnte der Politikprofessor Anand Menon vom King's College in London. Ob sich Truss durchsetzen könne, hänge nun davon ab, wie viel Raum ihr gewährt werde.

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