Der Bundestag könnte nach der Wahl ganz anders aussehen - das entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Einige bekannte Politiker haben aber schon angekündigt, ihr Mandat abzugeben. Eine davon die vielleicht prominenteste Politikerin der Welt.
Angela Merkel und Martin Schulz Ende 2018. Beide werden den neuen Bundestag nicht mehr angehören. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Angela Merkel und Martin Schulz Ende 2018. Beide werden den neuen Bundestag nicht mehr angehören. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Dem Deutschen Bundestag gehören mehr als 700 Abgeordnete an - er zählt damit zu den grössten Parlamenten der Welt.

Nach der Wahl 2017 kamen rund ein Drittel neue Parlamentarier hinzu, der Rest sass schon vorher im Berliner Reichstagsgebäude.

Auch in diesem Herbst werden - abhängig vom Wahlergebnis - neue Gesichter zu sehen sein. Einige der bisherigen Mandatsträger haben bereits angekündigt, aus dem Parlament auszuscheiden und künftig andere Wege zu gehen. Hier eine Übersicht der vielleicht bekanntesten «Aussteiger»:

Angela Merkel

Ihr Ausstieg ist eine Zäsur für die Bundespolitik, nach 16 Jahren als Kanzlerin kehrt Angela Merkel dem Tagesgeschäft den Rücken. Sie wurde 1954 in Hamburg geboren und wuchs in der DDR auf. Zur Politik kam die promovierte Physikerin in der Umbruchzeit der DDR 1989/1990. Seit 1990 sitzt sie im Bundestag, Kanzler Helmut Kohl holte sie bald darauf ins Bundeskabinett - erst als Frauenministerin, dann als Umweltministerin bis zur Wahlniederlage der Union 1998. Nach dem Bruch mit Kohl in der CDU-Spendenaffäre rückte sie an die Parteispitze. 2005 zog Merkel ins Kanzleramt ein. In ihrer Amtszeit fielen weitreichende Entscheidungen wie der Atomausstieg, die Aussetzung der Wehrpflicht und der Kohleausstieg. Vor allem aber wurden ihre Kanzlerinnenjahre von Krisen geprägt. Merkel steuerte das Land durch Weltfinanz- und Eurokrise, mit ihrer Willkommenspolitik in der Flüchtlingskrise 2015 polarisierte sie. Die Schlussphase ihrer Kanzlerschaft stand dann ganz im Zeichen des Coronavirus.

Martin Schulz

Der als Buchhändler ins Berufsleben gestartete Rheinländer, der seit 1974 SPD-Mitglied ist, errang Spitzenpositionen auf sämtlichen politischen Ebenen - vom Bürgermeisteramt im heimischen Würselen bis zum Präsidenten des Europäischen Parlaments (2012-2017) - scheiterte aber 2017 krachend als Kanzlerkandidat. Die SPD fuhr ihr schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte ein. Nach einem knappen Jahr als Bundesparteichef kündigte Schulz, der mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen ins Amt gehoben worden war, im Februar 2018 seinen Rücktritt an. Der 65-Jährige ist Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bei seiner Abschiedsrede im Bundestag, dem er seit 2017 angehört, sagte Schulz, er werde sich weiter einsetzen «für eine klare Haltung gegen Rechts, für eine gerechte Gesellschaft, für Vielfalt, für Respekt und Toleranz und vor allen Dingen für ein starkes, ein friedliches, soziales und demokratisches Europa».

Hermann Otto Solms

Der FDP-Politiker ist Alterspräsident der laufenden Legislaturperiode. Der Ehrenvorsitzende seiner Partei gehörte von 1980 bis 2013 über den Wahlkreis Giessen dem Bundestag an. In die FDP war der 80-Jährige schon 1971 eingetreten. Nach vierjähriger ausserparlamentarischer Opposition der Liberalen zog der Schnurrbartträger und Finanzexperte 2017 wieder ins Parlament in Berlin ein. Von 1985 bis 1991 war er Fraktionsvize und von 1991 bis 1998 Vorsitzender der Fraktion. Von 1998 bis 2013 war Solms, der aus dem mittelhessischen Lich stammt, Vizepräsident des Bundestages. Vor der Bundestagswahl 2009 produzierte Solms gemeinsam mit seinem Parteikollegen Otto Fricke die populäre Internet-Serie «Fricke & Solms» und war damit selbst deutlich jüngeren Politikern im Netz einen Schritt voraus.

Ulla Schmidt

Mit der gebürtigen Aachenerin Ulla Schmidt verlässt ein SPD-Urgestein den Bundestag. Den Höhepunkt ihrer Karriere erklomm die Tochter einer alleinerziehenden Fabrikarbeiterin, als der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sie 2001 als Gesundheitsministerin in sein Kabinett berief. Dort blieb sie in unterschiedlichen Koalitionen und Ressortzuschnitten bis 2009. Von 2013 bis 2017 war die frühere Sonderschullehrerin Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Ihren grossen Erfahrungsschatz im Bundestag sieht Schmidt als Vorteil. «Aber 31 Jahre sind denn auch mehr als ausreichend. Jetzt sollen Jüngere im Parlament entscheiden», sagte die 72-Jährige der dpa. Sie wolle aber erneut für den Bundesvorsitz der Lebenshilfe kandidieren, weiter das Kuratorium des Aachener Hospizes führen und sich sozial engagieren.

Thomas de Maizière

Der frühere CDU-Bundesminister kandidiert nach zwölf Jahren nicht mehr fürs Parlament. «Ich bin jetzt 67 und war lange genug dabei, da sollten Ältere den Jüngeren Platz machen, gerade in so einer Krise», sagte er der dpa. Der gebürtige Bonner begann als Redenschreiber des damaligen Westberliner Bürgermeisters und späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, verhandelte 1990 den Einigungsvertrag mit und wechselte nach vielen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern 1999 nach Sachsen, wo er später Finanz-, Justiz- und Innenminister wurde. 2005 holte ihn Angela Merkel als Chef ins Kanzleramt, danach war er zwei Mal Bundesinnen- sowie ein Mal Verteidigungsminister. De Maizière will sich weiter in verschiedenen Funktionen engagieren, aber auch mehr Zeit zum Reisen und für die Familie haben - er und seine Frau sind kürzlich zum ersten Mal Grosseltern geworden.

Christine Lambrecht

Die SPD-Politikerin und Bundesjustizministerin stammt aus Südhessen und war 1998 zum ersten Mal für den Wahlkreis Bergstrasse als Abgeordnete in den Bundestag gewählt worden. Zuvor war sie schon viele Jahre in der Lokalpolitik aktiv. Seit Juni 2019 ist die Rechtsanwältin Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz. Nach dem Rücktritt von Franziska Giffey übernahm sie im Frühjahr auch das Familienressort. Ihren Entschluss, nicht mehr zu kandidieren, begründete Lambrecht so: «22 Jahre Bundestag bedeuten 22 Jahre zweiter Wohnsitz, 22 Jahre aus dem Koffer leben. Mit 55 bin ich in einem Alter, wo man noch was Neues beginnen kann.»

Sylvia Kotting-Uhl

Nach 16 Jahren verlässt die 68 Jahre alte Grünen-Politikerin den Bundestag. Damit sass sie genauso lange auf der Oppositionsbank wie Angela Merkel auf dem Stuhl der Kanzlerin. «Anfangs habe ich sie für eine überaus kluge, aber ausschliessliche Taktikerin und Strategin gehalten», sagte Kotting-Uhl der dpa. «Mit ihrer mutigen Haltung in der Flüchtlingskrise habe ich meine Meinung geändert.» Vor allem als atompolitische Sprecherin ihrer Fraktion hat sich die Karlsruher Abgeordnete einen Namen gemacht, zuletzt war sie Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Aus dieser Perspektive begleitete sie den Atomausstieg Deutschlands.

Gerd Müller

Für den deutschen Entwicklungsminister ist das Ende der politischen Laufbahn in Berlin zugleich ein Anfang. Im Juli gewann der 65-Jährige die Wahl zum neuen Chef der UN-Organisation Unido, die sich um die industrielle Entwicklung ärmerer Staaten kümmert und dabei Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit im Blick hat. Müller bleibt also bei seinem zentralen Thema der Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt, mit dem er acht Jahre lang das Christliche in der Union bekräftigte und - baumlang gewachsen - auch in fernen Ländern zur Marke wurde. Er selbst fasst es so: «Unser Ziel ist eine gerechte Globalisierung, eine nachhaltige industrielle Entwicklung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und Zukunftsperspektiven in den Entwicklungsländern.»

Ulla Jelpke

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion ist bekannt als scharfzüngige Verfechterin für Menschenrechte. Die in Hamburg geborene Sozialökonomin kam in den 60er Jahren über die autonome Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung in die Politik. Vor ihrem Studium absolvierte sie Ausbildungen zur Friseurin, Kontoristin und Buchhändlerin. Seit 1990 gehört die Publizistin, mit kurzer Unterbrechung, insgesamt 28 Jahre lang dem Bundestag an. «Bei meiner Wahl in die Hamburger Bürgschaft war ich in den 80er Jahren noch eine der jüngsten Abgeordneten», sagte die 70-Jährige der dpa. «Nach nun mehr als drei Jahrzehnten intensiver Arbeit im Parlament möchte ich mich nicht aus dem Bundestag heraustragen lassen, sondern einfach mal Zeit für mich haben.» Politisch sei aber weiter mit ihr zur rechnen.

Eckhardt Rehberg

Gern wäre der Christdemokrat, dessen politische Karriere wie bei vielen Ostdeutschen seines Alters mit der Wende 1989 begann, Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern geworden. Doch trotz ermutigender Vorzeichen hatte der diplomierte Informatik-Ingenieur bei der Landtagswahl 2002 mit seiner CDU den Wahlsieg verpasst. 2005 kandidierte Rehberg für den Bundestag und wechselte nach 15 Jahren Landespolitik nach Berlin. Mit Beharrlichkeit und Sachkenntnis arbeitete sich der stets loyale Merkel-Weggefährte zum Haushaltsexperten der Unionsfraktion hoch. Ein einflussreiches Amt, das er nach sechs Jahren nun aufgibt. Mit 67 Jahren verlässt der Vater zweier erwachsener Söhne die politische Bühne. Den Stress im Politikeralltag werde er aber nicht vermissen, sagt Rehberg.

Fabio de Masi

Der Hamburger Linken-Bundestagsabgeordnete verlässt im Herbst aus persönlichen Gründen das Parlament. Er habe in den vergangenen sieben Jahren immer an der maximalen Belastungsgrenze gearbeitet, sagte er. «Insbesondere mein Sohn musste daher zu häufig zurückstehen.» De Masi gehört dem Bundestag seit 2017 an. Davor war der 41-Jährige seit 2014 Abgeordneter im Europäischen Parlament, wo er sich etwa im Panama-Papers-Untersuchungsausschuss zu Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung über Parteigrenzen hinaus einen Namen gemacht hatte. In Berlin hat der im hessischen Gross-Gerau geborene Sohn eines italienischen Gewerkschafters und einer deutschen Sprachlehrerin sein Fachwissen etwa bei den Themen Cum-Ex- und Wirecard-Skandal oder bei der Vermögensabgabe einbringen können.

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