Genua: Prozess um Brücken-Einsturz gestartet
In Genua stürzte im August 201 die Morandi-Brücke ein und forderte 43 Todesopfer. Vier Jahre später hat nun der Prozess gegen die Verantwortlichen begonnen.

Das Wichtigste in Kürze
- Am Donnerstag startete der Prozess um den Einbruch er Morandi-Brücke in Genua.
- Für die Angehörigen der 43 Todesopfer sei er «die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit».
- Wegen des schweren Unglücks 2018 müssen sich 59 Menschen vor Gericht verantworten.
In der norditalienischen Stadt Genua liegen sich vor dem Gerichtsgebäude Menschen mit Tränen in den Augen in den Armen. Auf einem schwarzen T-Shirt einer Frau ist ein Foto eines jungen Mannes zu sehen. Vor fast vier Jahren haben diese Menschen ein Familienmitglied, ihren Partner oder eine gute Freundin verloren. Endlich beginnt der Prozess um den tödlichen Einsturz der Autobahnbrücke «Ponte Morandi».
«Es ist die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit, die wir haben», sagte eine Angehörige, die bei dem Unglück am 14. August 2018 mit 43 Toten ihren Partner verlor, im italienischen Fernsehen. Die Bilder des Lastwagens, der kurz vor der Kante der eingebrochenen Brücke zum Stehen kam, gingen damals um die Welt.
Prozess geht im September weiter
Die Auftaktverhandlung am Vormittag dauerte nicht lange. Weitere Parteien hätten ihre Zulassung als Zivilkläger in dem Verfahren beantragt, und das Gericht habe die zukünftigen Verhandlungen terminiert. Dies berichtete Egle Possetti vom Verband der Angehörigen der Opfer im Anschluss. Auch ihre Vereinigung reichte erneut einen Antrag als Zivilpartei ein – Mitte September geht der Prozess in Genua weiter.

Drei Säle standen wegen des hohen Andrangs bereit, einer davon ein Zelt. 59 Menschen müssen sich für das Unglück verantworten. Die Anklage will mehr als 170 Zeugen hören. Ausserdem sind weit über 300 Zivilkläger zugelassen, und weitere könnten noch folgen.
«Nach fast vier Jahren Warten haben wir grosse Erwartungen», sagte Possetti. «Wir haben die Erwartung, dass dieser Prozess Gerechtigkeit bringt. Er soll Klarheit über die Gründe und Verantwortlichkeit schaffen, die zur Tötung unserer Angehörigen geführt haben. Denn ansonsten wird der Tod unserer Lieben unnütz sein, und sie werden nicht in Frieden ruhen können.»
Urteil könnte noch Jahre dauern
Beobachter gehen davon aus, dass erste Urteile womöglich erst in zwei Jahren feststehen. Angeklagt sind unter anderem Fachleute und ehemalige Führungskräfte der Firma, die für die Wartungsarbeiten zuständig war. Zudem wurde gegen Ex-Mitarbeiter des Infrastruktur-Ministeriums und Behörden-Funktionäre Anklage erhoben.
Ihnen werden etwa mehrfache fahrlässige Tötung, Amtsmissbrauch und Unterlassung vorgeworfen. Zwei Unternehmen, die Wartungsfirma und der Autobahnbetreiber, konnten vor dem Prozess eine Zahlung von rund 30 Millionen Euro aushandeln. Deshalb befinden sie sich nicht unter Anklage.

«Ich glaube, alle wünschen sich, Gewissheit über die Wahrheit haben zu können.» Dies sagte der Anwalt Giovanni Accinni, der einen beschuldigten Ex-Funktionär des Autobahnbetreibers vertritt in Genua.
Anwälte wollen über Ursache für Einsturz in Genua sprechen
«Heute fangen wir an, über Tatsachen zu sprechen, ausserhalb eines medienwirksamen, verfälschten und verdrehten Prozesses. Dieser beachtete den Grund für den Einsturz seit Beginn nicht », erklärte sein Anwaltskollege Guido Carlo Alleva. Er verwies auf den Bericht der Gutachter, wonach die Brücke Baumängel gehabt haben soll.
Nach dem Einsturz 2018 wurden Hunderte Menschen, die unter dem Viadukt wohnten, obdachlos. Als Grund für den Zusammenbruch werden Schäden vermutet, die wegen ausgebliebener oder mangelhafter Wartungsarbeiten nicht entdeckt wurden. An der Stelle wurde später eine neue Brücke über den Bach Polcevera gebaut. Diese wurde im August 2020 unter dem Namen San-Giorgio-Brücke eingeweiht.