Heute unternehmen die EU-Innenminister einen neuen Versuch, eine grosse Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg zu bringen. Deutschlands Vertreterin warnt vor mehr nationalstaatlicher Abschottung.
Bundesinnenministerin Nany Faeser im Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz (beide SPD).
Bundesinnenministerin Nany Faeser im Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz (beide SPD). - Kay Nietfeld/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Vor dem EU-Innenministertreffen zur Asylpolitik hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Dringlichkeit von Reformen deutlich gemacht und vor negativen Folgen einer Nichteinigung gewarnt.

«Wir haben es in den 1990er-Jahren nach den Balkan-Kriegen nicht geschafft, ein dauerhaft funktionierendes System zu erreichen», sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Und wir haben es nach der grossen Fluchtbewegung aus Syrien 2015 auch nicht geschafft», fügte sie hinzu. «Es ist wichtig, dass wir jetzt zu Ergebnissen kommen. Anderenfalls ist mit mehr nationalstaatlicher Abschottung zu rechnen. Wir müssen das Europa der offenen Grenzen retten», mahnte die deutsche Innenministerin. Das Schengen-System gerate in Gefahr, wenn die EU-Aussengrenzen nicht verlässlich kontrolliert würden.

Verschiedene Entwürfe auf dem Tisch

Bei dem Innenministertreffen in Luxemburg soll heute ein neuer Versuch unternommen werden, eine grosse Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg zu bringen. Auf dem Tisch liegen Entwürfe für Gesetzestexte, die die derzeitige schwedische EU-Ratspräsidentschaft auf Basis von Vorschlägen der EU-Kommission erarbeitet hat. Sie sehen insbesondere einen rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Es geht unter anderem darum, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Aussengrenzen geben soll. Die Bundesregierung will durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern von diesen Verfahren ausgenommen werden.

Faeser betonte, dass es zwar Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen geben solle. Dies solle aber «nicht für Menschen gelten, die vor Folter, Krieg und Terror geflohen sind». Es gehe um schnelle und faire Asylverfahren für jene, bei denen nur eine geringe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie in der EU Schutz benötigten. Generell gelte: «Das Asylrecht wird nicht angetastet. Wenn Menschen bei uns in Europa Asyl beantragen, dann müssen sie ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erhalten. Jeder Fall muss individuell geprüft werden.»

Die SPD-Politikerin betonte ferner: «Die Solidarität in der Verteilung der Flüchtlinge wäre Teil des Gesamtpakets. Wenn wir zu einer Einigung kommen, dann muss das ein fester Bestandteil sein. Es gibt nicht nur Grenzverfahren oder nur eine gerechte Verteilung. Beides bedingt sich.»

Faeser gegen überparteiliche Asyl-Kommission

Mit Blick auf die Bundespolitik wies Faeser ausserdem einen Vorschlag aus der CDU zurück, in einer überparteilichen Kommission eine Reform der deutschen Asylpolitik zu erarbeiten. «Es gibt nur eine Chance, die Lage zu verbessern: Und diese Chance liegt in Europa. Es gibt keinen isolierten deutschen Weg», sagte die SPD-Politikerin. «Das sollte die CDU verstehen, die leider weit weg ist von der Europa-Partei, die sie mal war.»

So eine Kommission auf rein nationaler Ebene «würde an den Ursachen des Problems nichts ändern», erklärte sie. Faeser mahnte: «Und niemand sollte vergessen: Das Asylrecht hat in unserer Verfassung einen hohen Wert. Wer das Asylrecht antasten will, spielt das dreckige Spiel der AfD mit und verschiebt Grenzen, die nicht verschoben werden dürfen.»

Der Vorschlag zu einer solchen parteiübergreifenden Kommission stammt vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Die Kommission soll nach seinen Vorstellungen binnen eines halben Jahres einen Vorschlag erarbeiten, zu der auch eine Grundgesetzänderung gehören könnte. Unter anderem geht es ihm darum, Asylbewerberleistungen auf den Stand anderer EU-Länder zu senken, um einen finanziellen Sogeffekt zu verringern. CDU-Chef Friedrich Merz machte sich den Vorschlag gerne zu eigen, wie er sagte. Auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien vom liberalen Flügel der CDU unterstützte Kretschmers Vorschlag.

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