Nach Auftritten in London und Lissabon hat die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen im EU-Parlament in Brüssel eine strengere Regulierung von grossen Online-Unternehmen gefordert.
Frances Haugen in Brüssel
Frances Haugen in Brüssel - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Haugen: Neue Regeln nicht auf illegale Inhalte beschränken.

«Neue Regeln dürfen nicht auf illegale Inhalte beschränkt werden. Sie müssen auch Inhalte einschliessen, die die Geschäftsbedingungen einer Plattform verletzen», sagte Haugen am Montag vor Abgeordneten des EU-Parlaments in Brüssel.

Zuvor hatte sie bei anderen Auftritten kritisiert, dass Facebook aus Profitinteresse bewusst Algorithmen einsetze, die spalterische und schädliche Inhalte fördern, weil diese zu mehr Interaktion führten. Anfang Oktober hatte sich die 37-jährige Haugen als Informantin zu erkennen gegeben, die Dokumente des Konzerns an Behörden und das «Wall Street Journal» weitergereicht hatte.

Im EU-Parlament wiederholte Haugen ihre Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber, Profitinteressen über die Sicherheit seiner Nutzer zu stellen. «Die von der Leitung von Facebook getroffenen Entscheidungen sind ein grosses Problem. Für Kinder, für die öffentliche Sicherheit und für die Demokratie», sagte Haugen. «Ihre gewinnoptimierende Maschine generiert Selbstverletzung und Selbsthass, besonders bei verletzlichen Gruppen wie Mädchen im Teenager-Alter.»

Die Facebook-Managerin Monika Bickert wies die Anschuldigung zurück, dass Facebook Profit über die Sicherheit von Nutzern stelle. «Ja, wir sind ein Unternehmen und wir machen Profit, aber die Idee, dass wir das auf Kosten der Sicherheit oder des Wohlergehens der Menschen tun, verkennt, wo unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen liegen», erklärte Bickert vor Haugens Anhörung im EU-Parlament.

Die EU zählt auf die Aussagen der Whistleblowerin, um ihre Gesetzesvorhaben zur strengeren Regulierung von Internetriesen wie Facebook und Google zu beschleunigen. «Wir haben den Einfluss gesehen, den die grossen Plattformen auf unsere Demokratien und Gesellschaften haben können, vor allem auf das Wohlergehen unserer Kinder», erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der vor Haugens Auftritt im EU-Parlament mit ihr zusammentrag.

Laut den Vorschlägen der Europäischen Kommission sollen grosse Online-Unternehmen mit dem sogenannten Digital Services Act (DSA) unter anderem dazu verpflichtet werden, stärker gegen Hass und Falschnachrichten vorzugehen. «Der Digital Services Act hat grosses Potenzial», sagte Haugen in Brüssel. Sie schlug unter anderem vor, dass es mehr Verpflichtungen zur Transparenz geben solle. Das Europaparlament und der Rat der 27 EU-Mitgliedstaaten beraten derzeit über ihre jeweilige Position zum DSA und dem Marktkontrollgesetz (DMA).

Auch die Grünen-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, Anna Cavazzini, hatte einen transparenteren Einsatz von Empfehlungs-Algorithmen in Onlinenetzwerken gefordert. Die virtuelle Pinnwand auf Onlineplattformen solle nur dann, «wenn Nutzerinnen es wirklich wollen» mittels Algorithmen geordnet werden. Cavazzini sowie der Linken-Ko-Fraktionschef im EU-Parlament, Martin Schirdewan, forderten zudem ein Verbot von personalisierter Werbung für die Internetriesen.

«Wir brauchen strenge Regeln dafür, welche Art von politischer Werbung grosse Online-Plattformen betreiben dürfen, und wir brauchen mehr Transparenz darüber, wer dafür bezahlt», erklärte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab.

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