Seit Monaten streiten die EU-Kommission und Astrazeneca über fehlenden Impfstoff. Immer wieder reduziert das Unternehmen seine Lieferungen. Nun wird der Konflikt ein Fall für die Justiz.
Einmal mehr in den Schlagzeilen: Immer wieder gibt es Probleme mit dem Vakzin des Herstellers Astrazeneca - diesmal geht es um ausbleibenden Nachschub. Foto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa
Einmal mehr in den Schlagzeilen: Immer wieder gibt es Probleme mit dem Vakzin des Herstellers Astrazeneca - diesmal geht es um ausbleibenden Nachschub. Foto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Streit über ausbleibende Impfstofflieferungen hat die EU-Kommission den Hersteller Astrazeneca verklagt.

Die 27 EU-Staaten tragen das Verfahren mit, wie die Brüsseler Behörde mitteilte.

Ein erster Termin vor einem belgischen Gericht sei bereits für Mittwoch geplant. Astrazeneca nannte den Rechtsstreit unbegründet und will vor Gericht dagegen halten. Zugleich begrüsse man die Chance, die Auseinandersetzung schnell beizulegen, erklärte das britisch-schwedische Unternehmen.

Der Hersteller hatte die Lieferungen von Corona-Impfstoff an die Europäische Union in den vergangenen Monaten einseitig drastisch gekürzt. Im ersten Quartal gingen nur 30 Millionen statt 120 Millionen Impfdosen an die 27 Staaten. Für das zweite Quartal werden nach jüngsten Angaben 70 Millionen Dosen erwartet. Ursprünglich waren 180 Millionen vereinbart. Aus Sicht der EU-Kommission verstösst der Hersteller damit gegen einen Rahmenvertrag vom August 2020.

Mit der Klage wolle man zunächst die eigenen Forderungen gerichtlich feststellen lassen, hiess es aus der EU-Kommission. Denn der Vertrag enthält zwei zwischen den Partnern umstrittene Klauseln: Zum einen heisst es, das Unternehmen müsse «best reasonable efforts» zur Erfüllung der Zusagen unternehmen - zu deutsch in etwa «alle vernünftigen Anstrengungen». Astrazeneca argumentiert, man habe sich daran gehalten; die EU-Kommission sieht das anders.

Der zweite Knackpunkt: Astrazeneca sichert im Vertrag zu, dass keine anderen Verpflichtungen gegenüber Dritten der Erfüllung entgegenstehen. Die EU-Kommission wirft dem Unternehmen jedoch vor, einen Vertrag mit Grossbritannien bevorzugt bedient zu haben. Grossbritannien war von Astrazeneca-Lieferproblemen kaum betroffen.

«Wir glauben, dass dieser Rechtsstreit unbegründet ist und begrüssen die Möglichkeit, diese Auseinandersetzung so schnell wie möglich beizulegen», hiess es von Astrazeneca. Man werde den EU-Staaten bis Ende April gemäss der Vorhersage fast 50 Millionen Impfdosen liefern. Ausserdem arbeite man daran, die Produktion schnellstmöglich hochzufahren.

Insgesamt hat die EU-Kommission 300 Millionen Dosen von Astrazeneca bestellt. Eine Option auf weitere 100 Millionen Dosen liess sie ungenutzt verstreichen. Wegen des Streits mit Astrazeneca hatte die EU einen Export-Kontrollmechanismus eingeführt. Eine Lieferung über 250.000 Astrazeneca-Dosen aus Italien nach Australien wurde blockiert. Zudem hatte die EU-Kommission ein Schlichtungsverfahren mit der Firma eingeleitet. Die Klage ist nun der nächste Schritt.

Ziel sei immer noch, die bestellten Impfstoffdosen so schnell wie möglich zu bekommen, hiess es aus EU-Kommissionskreisen. Schadenersatzforderungen seien in letzter Konsequenz nicht ausgeschlossen, stünden aber noch nicht an.

Ein Grossteil des Impfstoffs, der in den EU-Staaten gespritzt wird, stammt derzeit vom deutsch-amerikanischen Hersteller Biontech/Pfizer. Neben Astrazeneca haben ausserdem die Präparate von Moderna sowie Johnson & Johnson eine europäische Zulassung.

Inzwischen wird der Impfstoff von Astrazeneca in vielen EU-Staaten nur noch eingeschränkt verwendet, weil er in Verbindung mit sehr seltenen Fällen von Hirnthrombosen gebracht wird. Er ist von der EU-Arzneimittelbehörde EMA aber weiter uneingeschränkt freigegeben.

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