Drohnen in Nato-Land –Experte: Putin testet, wie weit er gehen kann
Russland hat den polnischen Luftraum mit 19 Drohnen verletzt. Für einen Experten ist klar: Damit will Wladimir Putin die Nato testen.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Nacht auf Mittwoch sind russische Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen.
- Die polnische Luftwaffe hat 19 Luftraumverletzungen erfasst und drei Drohnen abgeschossen.
- Ein Experte ist überzeugt: Putin testet damit die Nato.
Mit wachsender Unruhe hat Polen in den vergangenen Wochen beobachtet, wie immer wieder Drohnen in den Luftraum des Nato-Lands eindringen.
In der Nacht auf Mittwoch – inmitten einer russischen Angriffswelle auf die Ukraine – kam es nun zur Eskalation. Laut dem polnischen Premierminister Donald Tusk gab es insgesamt 19 Luftraumverletzungen.
Die Luftwaffe des Landes hat durchgegriffen: Drei Flugobjekte wurden abgeschossen. Ein Grossteil der Drohnen sei aus Belarus eingedrungen, sagte Tusk im Parlament. Belarus ist mit Russland verbündet.
Auf Instagram verkündete Tusk, er habe den Nato-Generalsekretär Mark Rutte über die aktuelle Situation informiert.
Die Regierung in Warschau hat nun nach Artikel vier des Nato-Pakts Konsultationen mit den Verbündeten beantragt. Dieser sieht Beratungen vor, wenn sich ein Nato-Staat von aussen gefährdet sieht.
Die Beantragung von Artikel fünf des Vertrages würde den Vorfall in Polen als Angriff auf alle Nato-Mitglieder werten. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich, unter anderem aufgrund des erheblichen Eskalationsrisikos.
«Putin will austesten, wie weit er gehen kann»
Nato-Generalsekretär Rutte lobte später die Alliierten. Sie hätten schnell und geschickt reagiert, so wie es vorgesehen sei.
Unter den Beteiligten waren polnische F16-Kampfjets und niederländische F35-Kampfjets. Auch italienische Awacs-Frühwarnflugzeuge und deutsche Flugabwehrsysteme waren beteiligt.

Doch warum überhaupt hat Russland den Luftraum der Nato verletzt? Handelt es sich lediglich um Navigationsfehler – oder eine bewusste Provokation?
«Es ist eine bekannte Taktik des Kremls, die Grenzen zwischen Krieg und Frieden zu verwischen», sagt Ulrich Schmid. Er ist Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen.
Schon früher drangen einzelne Drohnen nach Polen ein. Neu am aktuellen Vorfall ist, dass tatsächlich Flugobjekte im Luftraum über Polen abgeschossen wurden.

Schmid: «Putin will austesten, wie weit er gehen kann.» Er steigere deshalb seine Aggressionen gegen den Nato-Staat Polen.
Damit wolle er sehen, wo in der Interpretation der Nato die Schwelle zu einem Angriff liege.
Folgt jetzt eine Reaktion der Nato?
Schmid stellt klar: «Polen und die Nato werden sich sehr genau überlegen müssen, wie sie jetzt reagieren.»
Der Bündnisfall könne von der Nato ausgerufen werden. Darauf müssten allerdings militärische Gegenmassnahmen folgen.
Damit würden die Ukraine-Unterstützer der Nato eine rote Linie überschreiten, die sie sich bisher selbst gesetzt haben: Sie wollen nicht Kriegspartei werden.
«Gleichzeitig ist aber auch klar, dass das Ausbleiben einer angemessenen Reaktion Russland zu weiteren Angriffen ermutigen würde.»
Mit Eskalation muss nicht gerechnet werden
Nicolas Hayoz, emeritierter – also teilweise in den Ruhestand getretener – Professor der Universität Freiburg, sagt, es müsse nicht sofort mit einer Eskalation gerechnet werden.
«Polen hat Konsultationen aufgrund von Artikel vier des Nato-Vertrages beantragt. Aber vorderhand wird da nichts weiter geschehen», sagt Hayoz.

Man werde Solidarität mit Polen erklären und die Verteidigungsbereitschaft erhöhen. «Aber man wird auch bemüht sein, nicht zu eskalieren», betont der Experte.
Wichtig sei vor allem, dass es hauptsächlich um die Ukraine gehe, die massiv angegriffen wurde. Was hinter den Luftraumverletzungen in Polen stecke, sei unklar.
Offizielle Stimmen aus Polen und NATO-Ländern würden von einer «Provokation», gar von einem «Test» sprechen. «Also, dass Putin hier Reaktionen von Nato Ländern testen will. Das sind Schnellschüsse», betont Hayoz.
«Man weiss es vorderhand nicht.»
Nur eine Stärkung der Ukraine werde die russischen Angriffe bremsen. «Und damit auch das Risiko mindern, dass Nachbarländer der Ukraine in den Konflikt gezogen werden.»