Coronavirus: Europas Junge tadeln Schweizer Krawall-Teenies
Was lösen die Bilder von Teenie-Krawallen wegen des Coronavirus bei Jugendlichen im Ausland aus? Aus Europa kommt Tadel – aber auch Verständnis.

Das Wichtigste in Kürze
- In St. Gallen ist es jüngst zu Jugend-Krawallen gekommen.
- Die Jungen fühlen sich wegen Corona ihrer Freiheit beraubt.
- Doch in anderen Ländern sind die Massnahmen weitaus strenger. Junge Erwachsene berichten.
Bereits mehrmals ist es in St. Gallen zu Unruhen gekommen. Zuletzt eskalierte es vor zwei Wochen. Junge Leute protestieren mit Krawallen gegen die Massnahmen wegen des Coronavirus, verursachen Schaden und greifen Polizisten an. Ausgangsverbote und eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten frusten die Jungen zunehmend – es könnte ihnen aber noch schlimmer ergehen.
Im nahen Ausland sind die Massnahmen mit Ausgangssperren, Kontrollen und striktem Test-Regime teils weitaus strenger. Etwa in der Slowakei: Hier darf die eigene Wohnung zwischen 20 und 1 Uhr nur in Ausnahmefällen verlassen werden.
00:00 / 00:00
Aber auch zwischen 5 und 20 Uhr muss man erklären können, weshalb man sich draussen aufhält: Anerkannte Gründe sind etwa Einkaufen, Fahrten zu Arbeit oder Schule oder Erholung in der Natur.
Hierzulande kann man sich draussen wieder in Gruppen von bis zu 15 Personen treffen, Ausgangssperren gibt es keine. Was lösen die Schweizer Krawall-Bilder bei Jungen aus, die strengere Massnahmen kennen? Nau.ch hat nachgefragt.
Slowakin (24): «Kann das nicht verstehen»
Bei der in Wien lebenden Slowakin Andrea L. (24) sorgt das Verhalten der Schweizer Teenies für Kopfschütteln. «Ich kann nicht einmal meine Eltern besuchen», sagt sie. Trotz der nur gut einstündigen Fahrt war sie schon lange nicht mehr in Bratislava.

«Ich kann das nicht verstehen», sagt die Studentin. «Im Endeffekt müssten wir eigentlich alle am selben Strang ziehen, weil so verbreitet sich das Coronavirus ja nur noch mehr.» Besser fände sie es, die Jungen würden sich draussen beim Sport abregen. «Das ist ja bei euch erlaubt, oder?»
Auch wenn sich die Menschen in ihrem Heimatland an die Regeln halten – L. kennt den Corona-Frust aus Österreich, wo sie seit einigen Jahren lebt. Dort gibt es immer wieder Demos gegen die Massnahmen, zuletzt am Samstag. «Sie nennen sie jetzt Corona-Spaziergänge, um Verbote zu umgehen, aber es gibt sie immer noch.»

In ihrem Umfeld in Wien stellt die 24-Jährige fest, dass der Respekt vor dem Coronavirus schwindet. «Ich habe das Gefühl, dass sich die Leute nicht mehr an die Regeln halten.» Am Anfang sah das noch anders aus. «Aber da es jetzt schon so lange dauert, kann man es wohl nicht mehr hören und trifft sich halt trotzdem.»
Französin (19) kennt viele, die trotz Coronavirus Party machen
Auch im Schweizer Nachbarland Frankreich sind die Massnahmen weitaus strenger als bei uns. Tagsüber darf man sich für Spaziergänge in einem Radius von höchstens 10 Kilometern um den Wohnsitz bewegen.
Innerhalb seines Wohnsitzdepartements darf man unter anderem einkaufen gehen, seine Kinder zur Schule begleiten oder zum Gericht gelangen. Nur für triftige Gründe wie etwa Arbeit, Gesundheit oder Umzüge gilt keine Entfernungsbeschränkung.

Trotzdem kommt aus Frankreich ein wenig Verständnis für die gefrusteten Krawall-Teenies. «Ich kann die Demonstrationen verstehen, da vor allem die Jugendlichen genug haben», sagt Emma D. aus Paris.
Die 19-Jährige lenkt jedoch ein: «Wenn die Massnahmen nicht so strikt sind, sollte man sich allerdings nicht beklagen. Man hält sich ja an die Regeln für seine eigene Gesundheit und die der anderen.»

In ihrem Umfeld habe sie bisher nichts von Demonstrationen gehört. «Aber ich kenne sehr viele Leute, die trotz der Massnahmen grosse Partys veranstalten, es ist ihnen egal. Sie gehen aufs Land und laden bis zu 30 Personen ein.»
Britin (19): «Solche Reaktion sollte nicht toleriert werden»
Auch Grossbritannien kannte lange einschränkende Massnahmen – auch wenn seit Kurzem die Beizen-Terrassen wieder offen sind. Besonders strikt wird dort etwa das Reisen gehandhabt. Derzeit ist es den Briten wegen des Coronavirus untersagt, ihr Land zu verlassen.

Wie ihre Altersgenossin aus Paris kann auch Britin Emily P. (19) den Frust der Krawalljugend nachvollziehen. Sie ist der Meinung, dass die Lockdowns bei vielen Verwirrung ausgelöst hätten. Dennoch verurteilt sie die Krawalle scharf: «Eine solche Reaktion sollte nicht toleriert werden.»

Sie gibt aber auch zu bedenken, dass viele Jugendliche wegen des Coronavirus einige der wichtigsten Momente ihres Lebens verloren hätten. «Da ist klar, dass die Wut bei jungen Leuten wächst.»
Jugend-Frust kennt sie auch von zu Hause – sie zeigt sich aber hoffnungsvoll: «Jetzt, wo das Leben mit der Öffnung von Restaurants wieder anfängt, werden wir weniger wütende Jugendliche sehen, denke ich.»