Bulgariens Regierungschef Borissow stellt Rücktritt in Aussicht
In Bulgarien wird seit über einem Monat gegen die Regierung protestiert. Nun stellt Ministerpräsident Boiko Borissow seinen Rücktritt in Aussicht.

Das Wichtigste in Kürze
- Bulgariens Ministerpräsident stellte in einer TV-Ansprache seinen Rücktritt in Aussicht.
- Die nächste reguläre Parlamentswahl wäre im März 2021.
- In Bulgarien wird seit Juli gegen den Ministerpräsident Boiko Borissow demonstriert.
Nach gut einem Monat regierungskritischer Proteste hat Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow seinen Rücktritt in Aussicht gestellt. Allerdings soll dies erst nach einer Entscheidung des Parlaments für die Wahl einer verfassungsgebenden Volksversammlung geschehen. Das gab Borissow am Freitag in einer TV-Ansprache bekannt.
Seine bürgerliche Partei GERB werde dazu einen Entwurf für eine neue Verfassung mit Änderungen etwa bei der Justiz einbringen. «Es ist Zeit für Verantwortung und Entschlossenheit», sagte Borissow. «Es ist Zeit für einen Neustart.» Einen Termin nannte er allerdings nicht.
Demonstranten fordern über einen Monat Rücktritt
In dem EU-Mitgliedsland fordern Demonstranten bereits seit dem 9. Juli den Rücktritt der Regierung und eine Abstimmung über eine verfassunggebende Versammlung. Die Koalition aus Bürgerlichen und Nationalisten ist seit 2017 im Amt. Die Demonstranten begründen ihre Forderungen mit mafiösem Handeln und Abhängigkeit von Oligarchen, die nächste reguläre Parlamentswahl wäre im März 2021.
Staatschef Radew lehnte Borissows Ankündigung entschieden ab. Ein Gespräch über Verfassungsänderungen sei nur «nach den von der Gesellschaft geforderten Rücktritte» der Regierung und des Generalstaatsanwalts möglich. Dies sagte Radew am Abend in einer Ansprache an das Volk, die im Fernsehen und im Rundfunk übertragen wurde. «Kann die Mafia die Justiz reformieren – die Antwort ist nein.»

Demonstranten erklärten in einer ersten Reaktion, dass sie ihre Aktionen trotz der Ankündigung fortsetzen wollten. «Dies ist nur ein Versuch Borissows, Zeit zu gewinnen», sagte einer der Organisatoren der Proteste, Nikolaj Hadschigenow, dem Staatsradio. Die angekündigten Verfassungsänderungen könnten auch von einem regulären Parlament gemacht werden. Borissow versuche, noch eine Weile an der Macht zu bleiben, kritisierte der Aktivist Arman Babikian.
Aktivisten künden Blockaden an
Die Protestler antworteten mit neuen Aktionen. In der Hauptstadt Sofia versammelten sie sich zum 37. Mal im Zentrum zu einer abendlichen Demonstration. Vorübergehend wurde die Fernstrasse von Sofia nach Belgrad blockiert, Aktivisten kündigten weitere Blockaden an.
Die Polizei räumte am Morgen in Sofia eine nicht angemeldete Blockade an einer grossen Kreuzung vor der Botschaft Rumäniens. Dabei wurde niemand verletzt. Ihr Eingreifen sorgte bei den Demonstranten für Empörung und Kritik. Drei weitere wichtige Strassenkreuzungen in Sofia sind seit Tagen durch nicht angemeldete Zeltlager versperrt.
Eine Neuwahl fordern auch die aus den früheren Kommunisten hervorgegangenen Sozialisten und Staatschef Rumen Radew, der ihnen nahesteht.