Aus Trauer und Wut über den Tod eines regierungskritischen Demonstranten sind am Freitag tausende Menschen in der belarussischen Hauptstadt Minsk auf die Strasse gegangen.
Blumen und Kerzen erinnern an Roman Bondarenko
Blumen und Kerzen erinnern an Roman Bondarenko - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Opposition macht Sicherheitskräfte verantwortlich - EU droht mit neuen Sanktionen.

Sie bildeten Menschenketten und legten Blumen nieder zum Gedenken an den 31-jährigen Roman Bondarenko, der einen Tag nach seiner Festnahme unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war. Die EU sprach von einem «Skandal» und drohte Belarus mit weiteren Sanktionen.

Der 31-jährige Künstler Bondarenko war am Mittwoch im Zentrum von Minsk festgenommen worden. Anlass war nach offiziellen Angaben ein Streit am Rande einer Demonstration. Zeugen berichteten von Handgreiflichkeiten zwischen Regierungsgegnern und Zivilpolizisten.

Bondarenko habe bereits zum Zeitpunkt seiner Festnahme Körperverletzungen aufgewiesen und sei auch alkoholisiert gewesen, teilten die Behörden mit. Auf der Polizeiwache habe sich sein Zustand verschlechtert und er sei er in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Auch dort sei Alkohol in seinem Blut nachgewiesen worden. Am Donnerstag starb er nach offiziellen Angaben an schweren Hirnschäden.

Anhänger der Protestbewegung warfen den Sicherheitskräften vor, Bondarenko während seiner Festnahme schwer verletzt zu haben.

Ein Arzt, der Bondarenko behandelte, wies die Darstellung der belarussischen Behörden zurück. In Bondarenkos Blut sei «überhaupt nichts» gefunden worden, sagte der Mediziner, der anonym bleiben wollte, laut der Nachrichten-Website Tut.by.

In der Protestbewegung sorgte die Nachricht vom Tod Bondarenkos für Empörung. Bereits am späten Donnerstagabend gingen in Minsk grosse Menschenmengen auf die Strasse, entzündeten Kerzen und legten Blumen an dem Platz ab, wo Bondarenko festgenommen worden war.

Am Freitag bildeten tausende Demonstranten Menschenketten auf den Hauptverkehrsadern der Stadt. Hunderte Menschen folgten einem Aufruf der Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja und versammelten sich zum stillen Gedenken an Bondarenko am Ort seiner Festnahme. Der Demonstrant sei getötet worden, «weil er in einem freien Land leben wollte», sagte die im litauischen Exil lebende Tichanowskaja.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko erklärte, er habe eine «ehrliche und objektive» Untersuchung zum Tod des Demonstranten angeordnet.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International äusserte jedoch Zweifel am Aufklärungswillen der Regierung in Minsk. Sie mahnte «gründliche und unabhängige» Ermittlungen an. Die belarussische Regierung versuche weiterhin, ihre Kritiker mit Gewalt zum Schweigen zu bringen und schrecke auch nicht davor zurück, Demonstranten zu foltern und zu töten, erklärte Amnesty. Diese «Schreckensherrschaft» müsse ein Ende haben.

Seit der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl am 9. August gibt es in Belarus Massenproteste gegen den autoritär regierenden Staatschef Lukaschenko. Die Sicherheitskräfte gehen brutal gegen die Demonstranten vor; es gab bereits mehrere Todesfälle.

Tausende Menschen wurden seit Beginn der Proteste inhaftiert. Viele von ihnen berichteten nach ihrer Freilassung von Folter und Misshandlung. Wegen des Umgangs der belarussischen Behörden mit friedlichen Demonstranten verhängte die EU im September Sanktionen gegen die Führung in Minsk. Den umstrittenen Wahlsieg Lukaschenkos erkennt die EU nicht an.

Am Freitag drohte Brüssel mit weiteren Strafmassnahmen. Der Tod Bondarenkos sei «ein Skandal und das beschämende Resultat des Verhaltens der belarussischen Behörden», sagte ein Sprecher.

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