Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, ist alarmiert über Verstösse gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Europäische und andere Länder versuchten teils, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen, sagte Grandi am Mittwoch, dem 70. Jahrestag der Unterzeichnung der Konvention.
Flüchtlinge
Flüchtlinge mit Schutzmasken auf Lesbos. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Er rief alle Länder auf, die Prinzipien der Konvention zu verteidigen.

Mehr Einsatz im Kampf gegen Fluchtursachen forderte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller.

«Die Konvention ist heute so relevant wie 1951», sagte Grandi der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe Millionen Menschen das Leben gerettet. «Die grösste Herausforderung für den Flüchtlingsschutz ist, sicherzustellen, dass Staaten in allen Regionen der Welt sie in der Praxis umsetzen.»

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Grundpfeiler der internationalen humanitären Zusammenarbeit. Sie wurde am 28. Juli 1951 verabschiedet. Sie garantiert Menschen Schutz und Aufnahme, die in ihrem Land etwa wegen ihrer Religion oder politischen Überzeugung verfolgt werden. Aufnahmeländer dürfen Menschen nicht dorthin zurückzuschicken, wo ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sind. Wegen der hohen Zahl von Migranten und Flüchtlingen wurde die Konvention in letzter Zeit oft kritisiert. Sie bezieht sich aber nur auf Verfolgte, nicht auf Menschen, die frustriert über die Zustände in ihrem Heimatland anderswo ein besseres Leben suchen. Mehr als die Hälfte der Menschen, die Anträge auf Schutz stellen, werden im Allgemeinen abgelehnt.

Grandi nannte kein Land beim Namen. Als Verstösse gegen die Konvention kritisierte er aber etwa die Praxis der griechischen Küstenwache, Flüchtlingsboote in Richtung Türkei zurückzudrängen, oder das Vorgehen Chiles, das Venezolaner ausgewiesen hat, ohne ihren Anspruch auf Asyl individuell zu prüfen. Auch Pläne wie etwa in Grossbritannien oder Dänemark, Asylsuchende in Drittländer zu schaffen, um dort ihre Anträge zu prüfen, kritisierte er. Grandis Behörde, das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), wacht über die Einhaltung der Konvention und kümmert sich um Flüchtlinge weltweit.

«Es ist ein Kernelement der Konvention, dass Menschen nicht zurückgewiesen werden dürfen in Länder, in denen sie nicht sicher sind», sagt die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Petra Bendel, der dpa. «Es darf nicht sein, dass EU-Länder dagegen verstossen.» Ein Verstoss sei auch die Unterbringung der Menschen in Lagern mit menschenunwürdigen Zuständen wie auf der griechischen Insel Lesbos.

Minister Müller forderte, dass die EU die Ursachen von Flucht und Vertreibung stärker bekämpft. «Sonst werden wir auch in Europa noch stärker mit den dramatischen Konsequenzen der globalen Flüchtlingskrisen konfrontiert sein», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention müsse Mahnung sein, «nicht nachzulassen im humanitären Engagement». Die EU habe ihre Mittel für die Entwicklungspolitik für die kommenden Jahre gekürzt, das sei kurzsichtig.

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