Nelson Mandela widmete sein Leben dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in Südafrika. Doch 24 Jahre nach der demokratischen Wende herrscht Ernüchterung.

Nelson Mandela wird in Südafrika mit religiöser Ehrfurcht als Vater der Nation verehrt. Jahrzehnte seines Lebens hat er dem Kampf gegen das rassistische Apartheidregime gewidmet, dann predigte er Versöhnung mit den Weissen. Doch trotz der historischen Verdienste des Friedensnobelpreisträgers, der am Mittwoch 100 Jahre alt geworden wäre, herrscht inzwischen vor allem bei der schwarzen Bevölkerungsmehrheit in Südafrika grosse Ernüchterung.

Vor dem Gesetz sind jetzt alle Menschen gleich – doch was Wohlstand und Bildungschancen angeht, ist die weisse Minderheit nach wie vor viel bessergestellt. «Südafrika ist eines der ungleichsten Länder in der Welt und die Ungleichheit hat seit dem Ende der Apartheid 1994 weiter zugenommen», kommentiert die Weltbank.

«Freiheit genügt nicht»

Mandela habe für Freiheit gesorgt, doch das genüge nicht, sagt der 25-jährige Linda Clorry, der in Johannesburg lebt. «Wir brauchen dringend mehr Jobs und eine gute Ausbildung für alle.» Die 61-jährige Gogo Dlamini, die das Unrechtssystem der Apartheid selbst erlebt hat, stimmt zu: «Wir haben zwar offiziell die gleichen Rechte wie Weisse, aber es herrscht noch keine richtige Gleichheit.» Enttäuscht sagt sie: «Das wird noch Generationen dauern.»

Südafrika ist der am meisten entwickelte Staat des Kontinents, Mandela und seine Nachfolger haben wichtige Fortschritte erzielt. Die Regierung hat zum Beispiel Millionen Häuser für arme Familien gebaut und Sozialleistungen eingeführt, zudem haben fast alle Südafrikaner nun Zugang zu elektrischem Strom. Doch das Bildungssystem ist desolat und die Arbeitslosenquote liegt bei rund 27 Prozent.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Knapp 25 Jahre nach dem demokratischen Wandel sind die Südafrikaner ernüchtert.
  • Nach wie vor herrscht Armut und Arbeitslosigkeit – vor allem bei der schwarzen Mehrheit.

Landenteignung die Quelle der Armut

Mandelas Vermächtnis scheint heute zunehmend in Gefahr. Es häuft sich die Kritik, er habe die Weissen mit Samthandschuhen angefasst. Der ANC fordert inzwischen, die zumeist weissen Landeigentümer notfalls auch ohne Entschädigung zu enteignen. Die Vertreibung der Schwarzen von ihrem Land und dessen Enteignung zur Zeit der Apartheid seien «die Quelle der Armut und der Ungleichheit» gewesen, «die wir heute sehen», sagte Präsident Ramaphosa unlängst.

Experten warnen jedoch, eine radikale Landreform könne die Wirtschaft ins Straucheln bringen und das Land in eine Krise stürzen. Ramaphosa verspricht, behutsam vorzugehen, doch eine Landreform bezeichnet er als unvermeidbar. Sonst, sagt er, würde «das Land im Herzen gespalten bleiben».

10. Mai 1994: Nelson Mandela wird der erste schwarze Präsident Südafrikas. Morgen wäre der Nobelpreisträger 100-jährig geworden.
10. Mai 1994: Nelson Mandela wird der erste schwarze Präsident Südafrikas. Morgen wäre der Nobelpreisträger 100-jährig geworden. - Keystone
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