Krieg in Nahost – Israel greift 100 Ziele im Iran an
Mit einem in dieser Dimension überraschenden Angriff auf den Iran hat Israel im Nahen Osten einen neuen Kriegsschauplatz eröffnet.

Mehr als 200 Kampfflugzeuge seien im neuesten Einsatz Israels gewesen und mehr als 100 Ziele angegriffen worden, sagte Israels Militärsprecher Effie Defrin.
Getroffen wurden am frühen Morgen Ziele in den Millionenstädten Teheran, Tabris und Schiras sowie die unterirdische Atomanlage Natans, wie iranische Medien berichteten. Allein in Teheran seien mindestens 18 verschiedene Orte angegriffen worden. Israel will mit den Attacken verhindern, dass der Iran eine Atombombe bauen kann. Der jüdische Staat ist bisher die einzige Atommacht der Region.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einem «Eröffnungsschlag». «Diese Operation wird so viele Tage andauern, wie es braucht, um diese Bedrohung zu beseitigen», so der Regierungschef. Vor dem Hintergrund des Grossangriffs gegen den Iran schliesse Israel weltweit alle Botschaften und Konsulate, so das israelische Aussenministerium.
Militär-Kommandeure und führende Wissenschaftler getötet
Laut iranischen Angaben wurden auch führende Köpfe des Militärs getötet, darunter der Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden, Hussein Salami, der Generalstabschef Mohammed Bagheri und der Kommandeur der Luftstreitkräfte der iranischen Revolutionsgarden, Brigadegeneral Amir Ali Hadschisadeh.
Zugleich wurden iranischen Berichten zufolge mindestens sechs führende Wissenschaftler und Professoren aus den Bereichen Nuklear und Physik getötet. Die Forscher kamen bei nächtlichen Angriffen auf ihre Wohnungen in Teheran ums Leben.
Zu zivilen Opfern gab es zunächst keine offiziellen Angaben. Allein in der Provinz Teheran seien nach vorläufigen Daten mindestens 78 Menschen getötet worden und 329 Menschen verletzt worden, berichteten iranische Medien übereinstimmend.

Die Islamische Republik wertete die Welle von Luftattacken als Kriegserklärung und versuchte ihrerseits, Israel mit 100 Drohnen zu attackieren, die aber laut israelischen Medien alle abgeschossen wurden. US-Präsident Donald Trump lobte den Angriff. Er sei «ausgezeichnet» verlaufen, sagte Trump laut ABC News.
Der Iran sei hart getroffen worden. «Und es wird noch mehr kommen. Sehr viel mehr.» Auf die Frage, ob die USA in irgendeiner Weise an dem Angriff beteiligt waren, antwortete Trump dem Sender zufolge: «Dazu möchte ich mich nicht äussern.»
Atomanlage Natans schwer beschädigt
Es seien wichtige Anlagen zerstört worden, «die für den fortlaufenden Betrieb und das weitere Vorantreiben des Nuklearprojekts des iranischen Regimes unerlässlich sind», hiess es in einer Mitteilung des israelischen Militärs. Von den Atomanlagen wurde nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Uran-Anreicherungsanlage in Natans nördlich der Stadt Isfahan zum Angriffsziel.
IAEA-Chef Rafael Grossi informierte den israelischen Präsidenten Izchak Herzog über «schwere Schäden» an Natans, wie ein Sprecher von Herzog mitteilte.
Die Strahlungswerte dort seien nicht erhöht, hatten bereits zuvor die IAEA und der Iran mitgeteilt. In seinen Angaben bezog sich Grossi bislang auf direkte Informationen von iranischen Behörden. Zusätzlich steht die IAEA-Zentrale in Wien mit ihren Atominspektoren in Kontakt, die derzeit im Iran sind.
Nach iranischen Angaben wurde auch der Standort des Schwerwasserreaktors Arak angegriffen sowie der Nuklearkomplex Partschin. Informationen zu konkreten Schäden dort gab es zunächst nicht.
Angriff durch Geheimdienst jahrelang vorbereitet
Laut israelischen Medien ist die militärische Eskalation von der Regierung in Tel Aviv jahrelang vorbereitet worden. Einheiten des Auslandsgeheimdienstes Mossad hätten bereits im Vorfeld der Angriffe Präzisionswaffen, Fahrzeuge und Drohnenbasen in der Nähe von Raketensilos und Luftabwehrstellungen platziert. Diese Waffensysteme hätten zu Beginn der Luftangriffe per Fernsteuerung ihre Ziele mit ausserordentlicher Genauigkeit getroffen. So seien Luftabwehrstellungen zerstört worden.
Zur Entscheidung für den Angriff – über den schon seit mehr als ein Jahrzehnt lang diskutiert wird – trug wohl auch die Schwächung der iranischen «Achse des Widerstands» bei. Nach rund 20 Monaten Gaza-Krieg ist die islamistische Hamas dezimiert, auch die libanesische Hisbollah. Obendrein dient Syrien seit dem Umsturz nicht mehr als Korridor für Waffenlieferungen des Irans an die Hisbollah.
Der Angriff löst Befürchtungen aus, dass sich die Spannungen zwischen den beiden hochgerüsteten Ländern zu einem umfassenden Krieg in der Region ausweiten könnten. Mehrere Länder und UN-Chef António Guterres riefen die Parteien zu Zurückhaltung und einem sofortigen Abbau der Spannungen auf.
Iran im Schockzustand
Iranerinnen und Iraner zeigten sich über den Angriff und dessen Ausmass zunächst schockiert und verwirrt. Allerdings drückten Bewohner des Landes auch eine gewisse Schadenfreude aus. «Angst oder Freude? Leider überwiegt bei mir die Freude», sagte der Leiter eines kleinen Marktes in Teheran. Die erzkonservative politische Führung in Teheran ist bei der Bevölkerung wenig beliebt.

Bewohner Teherans drückten zugleich Sorgen aus. Der Preis für Benzin sei sofort angezogen, sie befürchteten, dass Banken schliessen könnten. Es gab Berichte darüber, dass sich Menschen mit Nahrungsmitteln und Wasser eindeckten.
Teheran verspricht Bürgern Gegenschlag
Die iranische Regierung versicherte ihren Bürgern per SMS, dass sich das Land verteidigen werde. «Es ist die Aufgabe und Pflicht der Regierung und der Streitkräfte, dieses Land, seine Ressourcen und alle Iraner zu verteidigen – und wir werden daran nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen», ist darin zu lesen.
Israel seinerseits warnte Teheran vor Gegenschlägen. «Wer auf die Vernichtung Israels hinarbeitet, wird eliminiert – der Preis für den Iran wird mit jeder weiteren aggressiven Handlung steigen», hiess es in einer Mitteilung von Israels Verteidigungsminister Israel Katz. «Der Iran wird einen immer höheren Preis zahlen, je länger er seine aggressive Politik fortsetzt.»
Militär: «Vor uns liegen schwierige Zeiten»
Die Angriffe im Iran sollen nach Äusserungen eines ranghohen israelischen Militärvertreters auch in den kommenden Tagen weitergehen. «Wir verfügen über einen langfristigen, breit angelegten Angriffsplan für die kommenden Tage – vor uns liegen schwierige Zeiten», sagte der Militär nach Angaben des regierungsnahen israelischen TV-Senders C14.
«Die Iraner werden reagieren. Wenn die Bevölkerung (in Israel) diszipliniert bleibt, wird es nur wenige Verletzte geben», sagte er demnach weiter. Anderenfalls seien viele Opfer zu befürchten. «Wir befinden uns im Krieg.»
Was ist der aktuelle Stand des iranischen Atomprogramms?
Seit Jahren unterhält der Iran ein Atomprogramm mit zwei Anlagen zur Urananreicherung und einem Kernkraftwerk in der Hafenstadt Buschehr. Das Land betreibt ausserdem einen Forschungsreaktor nahe der Hauptstadt Teheran sowie weitere Anlagen in der Metropole Isfahan im Zentrum des Landes. In Arak im Westen betreibt der Iran zudem einen Schwerwasserreaktor.
Der Westen wirft dem Staat vor, nach Atomwaffen zu streben. Teheran dementiert das. Laut einem Bericht der IAEA verfügt Teheran bereits über fast 409 Kilogramm an Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für Kernwaffen wird ein Reinheitsgrad von gut 90 Prozent benötigt. Experten hatten immer wieder bemängelt, dass dies für zivile Zwecke nicht nötig ist.