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Wahlrechtsreform: Lammert fordert Bewegung von Union und SPD

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Bolivien,

Am Dienstag wollen Union und SPD den Knoten in der jahrelangen Debatte über eine Wahlrechtsreform durchschlagen. Der frühere Bundestagspräsident Lammert findet mahnende Worte - auch an die Union.

Die Übersicht zeigt den Plenarsaal während einer Sitzung des Deutschen Bundestages. Foto: Michael Kappeler/dpa
Die Übersicht zeigt den Plenarsaal während einer Sitzung des Deutschen Bundestages. Foto: Michael Kappeler/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat Union und SPD im Streit über eine Wahlrechtsreform gegen einen aufgeblähten Bundestag eindringlich zum Kompromiss aufgerufen.

«Alle Parteien haben sich inzwischen bewegt - aber nicht genug», sagte der Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn der Koalitionsausschuss an diesem Dienstag eine Lösung findet, wäre es eine Lösung quasi in letzter Sekunde. Umso mehr hoffe ich, dass diese letzte Chance genutzt wird.» Seit Jahren sei klar, «dass wir eine Änderung des Wahlrechts brauchen».

«Ich attestiere ausdrücklich allen Beteiligten, dass ihre Interessen legitim und die für die jeweiligen Vorschläge vorgetragenen Argumente ernsthaft sind», sagte Lammert in Richtung Union wie SPD. «Aber das gilt wechselseitig und eben nicht in der Weise, die eigenen Argumente sind ernst zu nehmen und die der anderen nicht.» Da «weder die einen noch die anderen eine Mehrheit haben, das zu beschliessen, müssen sie aufeinander zugehen». Der langjährige Parlamentspräsident wurde noch deutlicher: «Das Beharren darauf, das eine sei die ultimative Lösung und das andere genüge den Ansprüchen nicht, ist nicht ernsthaft aufrechtzuerhalten.»

Vor der Sitzung des Koalitionsausschusses am 25. August sind die Fronten zwischen Union und SPD festgefahren. Das Unionsmodell sieht schon für die kommende Bundestagswahl im Herbst 2021 die Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280 vor. Zudem soll es eine teilweise Verrechnung von Überhangmandaten einer Partei mit Listenmandaten dieser Partei geben sowie einen Nichtausgleich von bis zu sieben Überhangmandaten. Lange Zeit hatte sich vor allem CSU dagegen gesperrt, die Zahl der Wahlkreise zu verringern.

Die SPD-Fraktion lehnt das Modell ab und setzt auf die Nichtzuteilung von knappen Direktmandaten, um das Parlament verlässlich bei 690 Sitzen zu deckeln. Das wiederum will die Union keinesfalls mitmachen. Zudem fordert die SPD abwechselnd mit Männern und Frauen besetzte Landeslisten.

Das Zeitfenster für eine Lösung schliesst sich - es wird argumentiert, Änderungen am Wahlrecht sollten weniger als ein Jahr vor der Wahl im Herbst 2021 nicht mehr vorgenommen werden.

Lammert sagte über die von der SPD vorgeschlagene Nichtzuteilung von Direktmandaten: «Für diesen Vorschlag gilt, dass da wiederum die Interessenlage durch jedes Knopfloch scheint - sowohl bei denjenigen, die ihn kategorisch ablehnen, wie bei denjenigen, die ihn für den Königsweg der Lösung halten.» Eine solche Regelung werde am Ende ganz sicher beim Bundesverfassungsgericht landen. Abgesehen davon sei sie den Wählerinnen und Wählern kaum vermittelbar: Die Entscheidung über den Wahlkreisabgeordneten sei beim extrem komplizierten deutschen Wahlsystem «vermutlich der einzige Aspekt, der für die meisten Wähler unmittelbar nachvollziehbar» sei.

Auch die Verringerung der Zahl der Wahlkreise sieht Lammert skeptisch: «Es ist natürlich kein Vorteil, wenn die Wahlkreise grösser werden. Aber ich glaube, es ist unvermeidlich, wenn man an der Kombination von Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht festhalten will.» Deswegen sei es sinnvoll, zu überlegen: «Bei welcher Reduzierung der Zahl der Wahlkreise kann unter Berücksichtigung eines realistisch zu erwartenden Wahlverhaltens mit welchen Konsequenzen für Überhang- und Ausgleichsmandate gerechnet werden?»

Eine weitere Stellschraube sieht Lammert in der Zahl der Überhangmandate, die nicht ausgeglichen werden. Hier habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich einen Spielraum eingeräumt. 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass es maximal 15 Überhangmandate ohne Ausgleich für die anderen Parteien geben darf.

«Wenn man gemeinsam begriffen hat, dass das Risiko eines nochmal deutlich grösseren Bundestages beachtlich ist und dass dies sowohl die Arbeitsfähigkeit wie das Ansehen unseres Parlaments strapaziert, sollten die Parteien das besser jetzt einvernehmlich regeln», verlangte Lammert. «Dazu müssen alle noch einmal aufeinander zugehen.»

In den anstehenden Verhandlungen müssten «alle diese Themen nochmal gleichzeitig aufgerufen werden», verlangte Lammert. Dies gelte auch für die Zahl der ausgleichslosen Überhangmandate, «wenn man denn gemeinsam daran interessiert ist, nicht durch Ausgleichsmandate die Grösse des Bundestages geradezu explodieren zu lassen. Ich kann nicht erkennen, dass es in der Sache unlösbare Probleme gibt.»

Zwar sei eine mit breiter Mehrheit gemeinsam mit der Opposition beschlossene Änderung einer von der Koalition alleine gefundenen Lösung vorzuziehen, sagte Lammert. «Ich will aber darauf aufmerksam machen, dass von den mehreren Dutzend Änderungen des Bundeswahlrechts, die es über die Jahre hinweg gegeben hat, die Mehrheit nicht im Konsens verabschiedet worden ist.» Es sei also kein Bruch einer vermeintlich unangefochtenen Tradition, «wenn am Ende eine Mehrheitsentscheidung getroffen werden muss, weil es kein Einvernehmen gibt». Zudem gelte: «So lange die Verfassung dazu keine Festlegungen trifft, ist der nächste Gesetzgeber ohnehin frei, sich an diesem allseits beliebten Thema erneut zu versuchen.»

Die Grünen warben für eine Bundestags-Abstimmung ohne den sogenannten Fraktionszwang. Dann können die Abgeordneten abstimmen, ohne unter Druck zu stehen, der Linie ihrer Fraktionschefs zu folgen. Linke, FDP und Grüne hätten sich schon lange auf einen umfassenden Gesetzentwurf verständigt, sagte der Politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, der Deutschen Presse-Agentur. «Für die grosse Koalition gibt es also einen Ausweg aus dieser hochnotpeinlichen Situation.» Er fordere die Abgeordneten von Union und SPD auf, die Abstimmung freizugeben.

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