Volle Pisten: Haben bald auch Schweizer Skigebiete Besucher-Grenze?
Madonna di Campiglio führt als erstes Skigebiet eine Besucher-Beschränkung für Spitzentage ein. Und in der Schweiz? Ein Experte nennt die Chancen und Risiken.

Das Wichtigste in Kürze
- Volle Pisten – das Dolomiten-Skigebiet Madonna di Campiglio reagiert.
- Die Skipässe werden pro Tag auf 14'000 beschränkt.
- Schweizer Gebiete lehnen eine Besucher-Obergrenze ab.
- Ändert sich dies? Tourismus-Experte Jürg Stettler nennt Chancen und Risiken.
- Carving-Skis seien mitschuldig, dass es auf der Piste immer enger wird.
Das Skigebiet Madonna di Campiglio könnte besser kaum liegen: Spektakuläre Aussicht mitten in den Benta-Dolomiten. Jedes Jahr kommt der Ski-Weltcup für einen Nacht-Slalom vorbei. Nur wenige Kilometer entfernt liegt die Brenner-Autobahn.
Das hat aber auch seine Schattenseite. Vor allem über Weihnachten und Neujahr sowie im Februar wird die Destination von Wintersportlern überrannt. An Spitzentagen kommen bis zu 23'000 Gäste.
Die Konsequenzen: Wartezeiten, Dichtestress und mehr Unfälle. Damit soll jetzt aber Schluss sein.

Als erstes Skigebiet in Europa führt Madonna eine Besucher-Obergrenze ein. Das Kontingent beträgt 14'000 Skipässe.
Ein erster Test wird vom 28. Dezember bis zum 5. Januar durchgeführt. Ein nächster in der Fasnachts-Zeit im Februar.
Die Massnahme gilt nur für Tages-Touris. Wer zu spät kommt oder bucht, hat Pech gehabt.
In den USA oder in Kanada sind ähnliche Massnahmen schon seit Längerem üblich. Bekannte Stationen wie Aspen und Vail (USA) oder Whistler Mountain (Kanada) haben Besucher-Obergrenzen.
Exorbitant hohe Skipass-Preise (200 bis 300 Franken) verringern den Ansturm zusätzlich.
Auf der Piste wird es eng – Carving-Skis sind Schuld!
Tourismus-Experte Jürg Stettler von der Hochschule Luzern ist von der Ankündigung aus Madonna di Campiglio nicht überrascht. Bereits 2019 haben in der Schweiz die Jungfraubahnen die Einführung einer Kapazitätsbeschränkung angekündigt.
Dass es auf Pisten enger wird, daran sind auch die Carving-Skis mit grossem Radius schuld. «Früher haben viele Skifahrer für ihren Kurzschwung drei, vier Meter der Piste beansprucht. Einige waren stolz, wenn sie einigermassen den Hang herunterkamen. Es war berechenbar.»

Das hat sich stark verändert.
«Skifahrer mit Carving-Skis brauchen eine viel grössere Fläche, teilweise die ganze Piste. Das Tempo ist – bei guten und weniger guten Fahrern – wesentlich höher als früher. Für viele ist es zu schnell. Das führt zu grösserem Dichtestress und es wird gefährlich, wenn zu viele Skifahrer gleichzeitig auf der Piste sind.»
Schweizer Skigebiete sind gegen Italiener-Regeln
Bilder von vollen Pisten und Ansteh-Schlangen gibt es an Spitzentagen jeweils auch aus der Schweiz. Dennoch ergibt eine Nau.ch-Umfrage bei Schweizer Skigebieten ein klares Resultat: Eine Besucher-Obergrenze will man aktuell nicht.
Viele Gebiete erwähnen ihr dynamisches Preismodell, man steuere so die Besucher-Ströme. «So kann jede und jeder selbst entscheiden, wann der beste Moment für einen Besuch ist.» Das schreibt beispielsweise die «Weisse Arena Gruppe» in Laax GR.
Von den Arosa Bergbahnen heisst es weiter, dass man spüre, dass flexiblere Arbeitszeitmodelle boomen. Ein Januarloch gebe es nicht mehr – Kapazitätsgrenzen stünden nicht zur Diskussion. «Im Gegensatz zu früher gibt es heute noch zwei, drei massive Spitzentage.»
Besucher-Grenze und dynamische Preise im Doppelpack?
Auch Tourismus-Experte Stettler geht nicht davon aus, dass viele nachziehen.
«Die Jungfraubahnen haben die angekündigte Obergrenze meines Wissens nicht eingeführt. Und meistens haben Skigebiete eher zu wenige als zu viele Leute. Wenn es bei 100 Skitagen an deren fünf gravierende Platzprobleme gibt, entscheidet man sich wohl eher gegen Massnahmen.»
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Ausschliessen will Stettler aber nichts. «Kombinierte Massnahmen aus dynamischen Preisen und Kapazitäts-Beschränkungen sind möglich.»
Hässige Skifahrer an der Kasse wegen Besucher-Obergrenze
Grundsätzlich sieht Stettler im Modell von Madonna di Campiglio Chancen und Risiken.
So könne das Skigebiet mit höherer Qualität und nicht überfüllten Pisten werben. «Die Ticket-Knappheit kann zudem Kaufdruck auslösen. Tagesbesucher buchen früher. Ticketsicherheit ist bei manchen plötzlich wichtiger als Wettersicherheit.»
Ebenfalls möglich ist aber die Gegenseite der Medaille. «Leute kommen gar nicht mehr – oder sind an der Tageskasse wütend, wenn sie keinen Tagespass mehr kaufen können.»
Die Lifte sind weniger das Problem
Weniger problematisch sieht der Experte in der Schweiz übrigens die Ansteh-Schlangen. «Viele Gebiete haben heute mit den hochmodernen Bahnen eine so hohe Transport-Kapazität, dass man den Ansturm bewältigen kann.»
Natürlich gebe es Ausnahmen. An Spitzentagen könne es zur Überlastung kommen, aber nicht nur bei den Bahnen, sondern auch in den Ski-Beizen.












