Ein Reporter beschuldigt die USA der Sprengung der Nordstream-Pipeline. Für die Enthüllung, die auf einer einzelnen Quelle beruht, erhält er viel Kritik.
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Gas tritt aus der gesprengten Nordstream-Pipeline. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Für den Bericht, wonach die USA Nordstream gesprengt haben, erhält der Reporter Kritik.
  • Dass Seymour Hersh sofort zu russischen Staatsmedien gerannt sei, sehe verdächtig aus.
  • Auch dass der Bericht auf einer einzelnen, anonymen Quelle beruht, wirft Zweifel auf.

Auch mit 85 Jahren veröffentlicht der renommierte US-Journalist und Pulitzer-Preis-Gewinner Seymour Hersh vermeintlich brisante Enthüllungen: Die US-Regierung habe im letzten Juni während eines Manövers mit Norwegen Sprengsätze an der Nordstream-Pipeline platziert. Das skandinavische Land habe die Sprengung dann im September ausgelöst, behauptet er. Doch für die Enthüllung wird der Reporter stark kritisiert.

Sie spielt genau ins Narrativ des Kremls. Moskau beschuldigt die USA, die Gas-Pipeline sabotiert zu haben. Der Westen vermutet Russland hinter der Aktion, Ermittler konnten bislang aber keine Beweise finden.

Seymour Hersh
Der renommierte US-Journalist Seymour Hersh. (Archivbild) - Keystone

Bei den Enthüllungen stützt sich der Reporter auf eine einzelne Quelle, die im Regierungsapparat sitzen soll und anonym bleiben will. Der Satz «gemäss einer Quelle mit direkter Kenntnis der operativen Planung» spreche Bände, kritisiert Eliot Higgins. Dass der Bellingcat-Journalist den Bericht nicht glaubt, macht er mit einem Bild auf Twitter deutlich.

Er hebt auch hervor, dass «Eine-Quelle-Seymour» den Artikel nicht bei einer grossen Zeitung habe veröffentlichen können. Die angebliche Enthüllung publizierte Hersh auf seiner eigenen Website.

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Die Pipeline Nord Stream 2 wird verlegt. Ein russisches Schiff operiere kurz vor Anschlägen an den Tatorten. (Archivbild) - Keystone

Mit seiner Story beeindrucke Hersh nur jene Leute, die bedingungslos hinter Putin und Assad stünden, schreibt Higgins. So war in der Tat das von Russland finanzierte «RT» das erste Medium, dass die Enthüllung aufgenommen hatte. Nach der Veröffentlichung sprach Hersh als Erstes mit der russischen Nachrichtenagentur «Tass» und bestätigte die Glaubwürdigkeit seiner Quelle: «Es ist jemand, der ziemlich viel darüber zu wissen scheint, was passiert ist», wird Hersh zitiert.

Dass Hersh zuerst zu den Medien des russischen Diktators rennen musste, lasse ihn sehr glaubwürdig aussehen. Dies schreibt Olga Lautmann, Investigativ-Journalistin bei der NGO «Institute for European Integrity», sarkastisch auf Twitter. Weshalb würde ein US-Journalist dies tun, sei die «Tass» doch dafür bekannt ist, mit dem russischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. «Überhaupt nicht verdächtig.»

CIA dementiert Hersh-Vorwürfe

Bellingcat-Journalist Nick Waters erinnert daran, dass Seymour Hersh seit über zehn Jahren Falschinformationen verbreitet. So habe er unter anderem Fehlinformationen im Syrien-Krieg und zur Tötung von Osama Bin Laden publiziert.

Die CIA, die gemäss Hersh an der Sprengung der Pipeline beteiligt gewesen sei, dementiert die Vorwürfe. Die Behauptungen seien «völlig und vollkommen falsch», sagte ein Sprecher.

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Higgins erinnert daran, dass der Gewinn eines Journalismus-Preises nicht bedeute, dass man für immer ein guter Journalist sei. 1970 erhielt Hersh für seine Enthüllungen der Kriegsverbrechen der USA in Vietnam den Pulitzer-Preis.

Christo Grozev, ebenfalls Bellingcat-Journalist, geht auf Twitter noch weiter: «Ich hoffe, dass ich nie so senil, so korrupt oder so zwanghaft lügend werde wie Seymour Hersh», schreibt er. Die Berichterstattung nennt er «unverantwortlich», sie würde dem Journalismus schaden. «Kurz zusammengefasst: totale Fiktion.»

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