Die Blockade einer wichtigen Wirtschaftsader in die USA ist gebrochen, doch die Proteste in Kanada gegen die Corona-Politik gehen weiter. Jetzt hat Premier Trudeau eine historische Entscheidung getroffen.
Die Ambassador Bridge ist eine wichtige Grenzbrücke zwischen der Stadt Windsor in Kanada und Detroit in den USA. Demonstrierende hatten sie fast eine Woche lang blockiert. Foto: Paul Sancya/AP/dpa
Die Ambassador Bridge ist eine wichtige Grenzbrücke zwischen der Stadt Windsor in Kanada und Detroit in den USA. Demonstrierende hatten sie fast eine Woche lang blockiert. Foto: Paul Sancya/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Angesichts der seit Wochen anhaltenden Trucker-Proteste gegen seine Corona-Politik hat Kanadas Premierminister Justin Trudeau den nationalen Notstand verhängt.

Der liberale Regierungschef machte dazu am Montag (Ortszeit) in Ottawa erstmals von einem entsprechenden Gesetz Gebrauch. Trudeau versprach, die Massnahmen würden zeitlich begrenzt, örtlich gezielt sowie angemessen sein. Das 1988 verabschiedete - aber noch nie angewandte - Gesetz gibt ihm kurzzeitig die Macht, Bürgerrechte zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung ausser Kraft zu setzen.

Trudeau versicherte: «Wir werden weiter sicherstellen, dass die zuständigen Behörden auf Stadt-, Provinz- und Landesebene haben, was sie brauchen, um diese Blockaden zu beenden und die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen.» Bereits zuvor hatte er die Blockaden der Lastwagenfahrer illegal genannt und auch eine gewaltsame Auflösung nicht ausgeschlossen.

Seit Wochen anhaltende Proteste

Seit Wochen demonstrieren in Kanada Tausende Menschen gegen Corona-Massnahmen und Impfvorschriften. Mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen blockieren sie auch Teile der Innenstadt Ottawas. Gegenstand der Proteste waren zunächst Impfvorschriften für Lastwagenfahrer und danach die staatlichen Pandemiebeschränkungen insgesamt. Im Januar trat eine Verordnung in Kraft, nach der auch Lastwagenfahrer, die aus den USA zurückkehren, einen Impfnachweis vorlegen müssen.

Am Wochenende hatten Einsatzkräfte ein Zentrum der Proteste geräumt: Nach fast einwöchiger Blockade floss der Verkehr auf einer wichtigen Grenzbrücke zwischen der Stadt Windsor in Kanada und Detroit in den USA wieder. Nach einer einstweiligen Verfügung eines kanadischen Gerichts hatten die Behörden damit begonnen, die Proteste in der Gegend aufzulösen. Die Regierungen auf beiden Seiten der Grenze hatten zuvor vor den wirtschaftlichen Folgen der Blockade gewarnt.

Der Polizei von Windsor zufolge wurden am Wochenende mehr als zwei Dutzend Menschen festgenommen sowie ein Dutzend Fahrzeuge beschlagnahmt oder abgeschleppt. Die Blockade der Ambassador Bridge sowie weiterer Grenzübergänge führte nach Trudeaus Worten zum Stopp der Autoproduktion von sechs Herstellern wegen fehlender Teile. Über die Brücke fliessen 25 Prozent des kanadisch-amerikanischen Güterverkehrs - das entspricht pro Tag einem Warenwert von umgerechnet 275 Millionen Euro. Die Region ist wirtschaftlich über die Grenze hinaus eng verwoben.

Andernorts gingen die Proteste gegen die Corona-Massnahmen der kanadischen Regierung weiter. Nach Behördenangaben blieb am frühen Montagmorgen noch mindestens ein weiterer Grenzübergang zwischen Coutts in der kanadischen Provinz Alberta und Sweet Grass im US-Bundesstaat Montana geschlossen. Auch in Ottawa harrten Trucker trotz eisiger Kälte weiter aus. Dort habe es am Wochenende ebenfalls zahlreiche Festnahmen gegeben, teilte die Polizei mit. Die Demonstranten hätten teils «aggressives Verhalten» gezeigt und Polizisten «überwältigt».

Trudeau sagte nun: «Wir können und werden nicht zulassen, dass illegale und gefährliche Aktivitäten fortgesetzt werden.» Es gehe darum, die Sicherheit zu gewährleisten, Arbeitsplätze zu schützen und Vertrauen in die Institutionen des Landes wiederherzustellen. Die Regierung nutze das Notstandsgesetz nicht dafür, das Militär einzubeziehen oder Menschen daran zu hindern, von ihrem Recht des legalen Protests Gebrauch zu machen.

Weite Teile der Bevölkerung hatten Trudeaus teilweise sehr strikten Anti-Covid-Kurs in den vergangenen zwei Jahren mitgetragen. In jüngsten Studien zeichnet sich allerdings eine mögliche Trendwende ab, auch wenn das Bild noch nicht eindeutig ist. Auch einige Anhänger des 50-Jährigen nahmen der grassierenden Omikron-Variante geschuldete Massnahmen wie neue Reiseeinschränkungen und von lokalen Regierungen verordnete Schliessungen der Innenräume von Bars und Restaurants als übertrieben wahr.

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