Die US-Wahl steht im Zeichen des Coronavirus. Um kein Infektionsrisiko einzugehen, stimmen viele Bürger über ihren Präsidenten per Brief ab. Amtsinhaber Trump wittert Betrug.
Ein Mann füllt einen Antrag für eine Briefwahl aus bei der Eröffnung eines Wahllokals im Liacouras Center der Temple University in Pennsylvania. Foto: Matt Slocum/AP/dpa
Ein Mann füllt einen Antrag für eine Briefwahl aus bei der Eröffnung eines Wahllokals im Liacouras Center der Temple University in Pennsylvania. Foto: Matt Slocum/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Regierung von US-Präsident Donald Trump bekommt die Corona-Pandemie nicht in den Griff, die Zahlen steigen wieder.

Wenn am 3. November gewählt wird, dürfte die Angst vor einer Infektion viele Menschen vom Gang ins Wahllokal abhalten.

Die US-Bundesstaaten haben deshalb die Briefwahl erleichtert. Doch Amtsinhaber Donald Trump sät immer wieder Misstrauen. Sind seine Zweifel an der Wahl per Post berechtigt?

BEHAUPTUNG: Eine Briefwahl öffnet Manipulationen Tür und Tor.

BEWERTUNG: Experten und Institutionen sehen keinerlei Betrugsgefahr, Studien untermauern das.

FAKTEN: Auf der Zielgeraden der US-Präsidentenwahl überschattet die Corona-Krise alles andere. Die Infektionen in den USA sind auf Rekordniveau - zuletzt gab es täglich mehr als 80 000 neue Fälle. Insgesamt hat die Pandemie in den USA mehr als 229 000 Menschen das Leben gekostet. Um das Infektionsrisiko bei der Stimmabgabe zu minimieren, forderten die Demokraten, möglichst vielen US-Amerikanern eine Briefwahl zu ermöglichen.

Dem folgen viele Wähler: Experten zufolge könnte dieses Jahr jede zweite Stimme per Post kommen. 2016 - Trump gegen Hillary Clinton - stimmte bereits fast ein Viertel der Wähler auf diesem Weg ab. Das waren gut 33 Millionen Stimmen.

Dagegen läuft der Republikaner Trump Sturm: Briefwahl könne zu Manipulationen führen, meinte der US-Präsident. «Das wird der grösste Wahlbetrug in unserer Geschichte», twitterte er und riet: Um das System auf die Probe zu stellen, sollten Briefwähler versuchen, zusätzlich auch noch persönlich im Wahllokal abzustimmen. Das wäre Wahlbetrug, der von der Justiz streng geahndet würde.

Zuletzt legte er nach: Trump twitterte, es gebe in den ganzen USA «grosse Probleme und Diskrepanzen» bei der Briefwahl und forderte: «Müssen ein Endergebnis am 3. November haben.» Das ist vor allem bei einem engen Ausgang unwahrscheinlich, da in mehreren Bundesstaaten Briefwahl-Stimmen noch Tage später ausgezählt werden.

Der von Trump befürchtete Wahlbetrug kommt in den USA tatsächlich äusserst selten vor. Selbst kleinere Fälle wie eine unberechtigte Stimmabgabe führen oft zu Gefängnisstrafen, wie eine Übersicht der konservativen Stiftung Heritage Foundation zeigt.

Die US-Denkfabrik Brennan Center for Justice hält eine Manipulationsgefahr bei der Briefwahl für äusserst unwahrscheinlich. Das überparteiliche Institut an der New York University Law School stellt klar: Dass ein Amerikaner die Briefwahl manipuliere, sei weniger wahrscheinlich, als vom Blitz getroffen zu werden. «Trumps Behauptungen sind falsch», heisst es dort. «Betrug bei der Briefwahl kommt unglaublich selten vor.»

Den Experten zufolge waren bei untersuchten Abstimmungen nur rund 0,0025 Prozent der in Wahllokalen abgegebenen Stimmen von Betrug betroffen, bei Briefwahl noch weniger. Eine Analyse der Arizona State University kam 2012 zum selben Ergebnis: Bei allen untersuchten Wahlen sei die Zahl der Betrugsversuche «verschwindend gering» gewesen.

Auch die US-Geheimdienste und die Bundespolizei FBI sehen derzeit keine Anzeichen für eine drohende Manipulation. Weder gebe es Hinweise darauf, dass andere Staaten versuchten, die Briefwahl in den USA zu torpedieren, noch auf koordinierte Versuche, bei der Briefwahl zu betrügen, sagten Vertreter mehrerer US-Behörden in einem Briefing.

Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies erklärt: «Sie bekommen nur eine Wahlbenachrichtigung, wenn sie sich als Wähler haben aktiv registrieren lassen.» Im US-Bundesstaat Florida etwa wird diese im Wahllokal eingescannt. Wenn jemand bereits Briefwahl gemacht hat, kann über diese Wähler-ID kein weiterer Stimmzettel eingereicht werden.

Wer seine Stimme in betrügerischer Absicht doppelt abgebe, mache sich strafbar, so Politikwissenschaftler Thunert. Nach US-Bundesrecht kann die Abgabe von mehr als einer Stimme bei einer Präsidentschafts- oder Kongresswahl eine Geldstrafe von bis zu 10 000 US-Dollar (8500 Euro) oder auch bis zu fünf Jahre Haft nach sich ziehen. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 hatte rund jeder vierte Wähler per Brief abgestimmt - ohne dass es dabei zu nennenswerten Unregelmässigkeiten kam.

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