Ex-Fussballprofi Fulvio Sulmoni erzählt die ganze Wahrheit

171 Spiele in der Super League, 152 in der Challenge League, dazu 10 Partien in der Europa League: Fulvio Sulmoni blickt auf eine beachtliche Karriere als Fussballer zurück.

Er spielte unter anderem für Lugano, Locarno, Chiasso, Bellinzona und für den FC Thun. Mit 34 Jahren zog er einen Schlussstrich darunter und veröffentlichte zum Jahresende 2020 das Buch «Piacere di averti conosciuto».

Seine ehrlichen und schonungslosen Gedanken über 17 Jahre Profifussball verkauften sich in der italienischsprachigen Schweiz fast 3000 Mal.

Seit Anfang Mai ist das Werk nun auch auf Deutsch erhältlich.

«Ich will den Fussballfans damit ins Gesicht schreien und ihnen zeigen, wie sehr einem der Fussball weh tun kann», schreibt Sulmoni in der Einführung.

«Ich will Eltern und Kinder sensibilisieren, manchmal vielleicht etwas plump, aber dafür umso aufrichtiger.» Er sei normalerweise eine sehr verschlossene Person, schreibt er.

Die Entscheidung, «die heikelste und schwierigste Zeit meines Lebens zu enthüllen», habe deshalb einige Zeit benötigt. Fulvio Sulmoni betont aber, er habe das Buch nicht geschrieben, um sich in den Mittelpunkt zu stellen oder damit Geld zu verdienen.

Er spendet den gesamten Erlös aus dem Verkauf des Buchs an die Stiftung «Associazione EmoVere». Diese setzt sich für Kinder und deren Angehörige ein, die sich in einer schwierigen Lebensphase befinden.

Der ehemalige Verteidiger Fulvio Sulmoni betont, dass er so ehrlich wie möglich bleiben und sich nicht von vergangenen Emotionen oder unverdautem Groll beeinflussen lassen wolle.

Das gelingt ihm auch weitgehend, obwohl im Buch die kritischen Passagen überwiegen.

So beschreibt er, wie er wochenlang mit einem Leistenbruch spielte, bis er es vor Schmerzen nicht mehr ausgehalten habe.

Er erzählt offen von seiner Krebserkrankung und dem Rückfall nach der ersten Behandlungsphase.

Er erklärt den systembedingten Egoismus der Spieler und zeigt auf, dass es vielen Trainern an emotionaler Intelligenz fehlt: «Sie behandeln Menschen wie Ware.»

Ihm selber gelingt es, die Balance zu finden und seine Sorgen und Probleme als Fussballer zu relativieren, als seine Tochter Aurora geboren wird: «Dieses bedingungslose Glück hat in mir einen zusätzlichen Panzer gegen Schwierigkeiten und Probleme geschaffen und mich noch widerstandsfähiger gemacht.»

Das Werk wirkt durch die Einbettung vieler Zitate und der Erläuterung kognitiver Verhaltensmodelle sowie Persönlichkeitstypen nicht wie eine locker dahingeworfene Momentaufnahme. Obwohl Fulvio Sulmoni viele Passagen während seiner Fussballerkarriere geschrieben hat, um seine Probleme besser bewältigen zu können.

«Schön, dich kennengelernt zu haben» ist vielmehr eine fundierte und tiefschürfende Reflexion über eine populäre Sportart, die längst nach den Gesetzmässigkeiten des Big Business funktioniert.

Stark wird es dort, wo sich Fulvio Sulmoni direkt an einen Jungen wendet, der ihn im Parco Ciani in Lugano anspricht und dem Fünftklässler aus seinem Leben erzählt.

Auch die Ratschläge, die der Autor den Spielern und der Leserschaft am Ende des Buchs mit auf den Weg gibt, haben es in sich. So empfiehlt er den Fussballern beispielsweise, sich in Jugendprojekten zu engagieren und Schulen zu besuchen, wie er es getan hat: «Ihr werdet dafür viel positive Energie zurückbekommen.»

Das Buch von Fulvio Sulmoni richtet sich in gut verständlicher Sprache an junge fussballbegeisterte Leserinnen und Leser, gleichsam an ihre Eltern. Auch Fans, die sich generell für Fussball interessieren und einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen möchten, kommen auf ihre Kosten.

So wurde der Tessiner während seiner Karriere beispielweise auch von Bundesliga-Coach Urs Fischer und von Raimondo Ponte trainiert – und schildert seine Erfahrungen mit ihnen.

Fulvio Sulmoni: «Schön, dich kennengelernt zu haben» – Edizioni Vignalunga, Mendrisio – ISBN 978-88-944956-6-9. 176 Seiten. CHF 28.–