Erst ein gewagtes Museum für Edvard Munch, jetzt das neue Nationalmuseum: Die norwegische Hauptstadt Oslo feiert sich als Metropole der Kunst. Und zwar so.
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Von aussen eher Typ funktionales Behördengebäude, zeigt das Nationalmuseum in Oslo vor allem im Inneren seine Pracht. Das ältere Gebäude im Vordergrund ist das Nobel-Friedenszentrum. - Sigrid Harms/dpa/dpa-tmn
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die norwegische Hauptstadt wandelt sich zur nordeuropäischen Kultur-Metropole.
  • Aushängeschilder sind das neue Nationalmuseum und das Eisberg-förmige Operngebäude.
  • Auf 13 Stockwerken zeigt das Munch-Museum mehr als 26'000 seiner Bilder und Zeichnungen.

Edvard Munch widmete sich den ganz grossen Themen: Er malte Abschiede, Verzweiflung, den Tod. Er drückte Gefühle aus, für die der Mensch sich häufig schämt, die er gerne verdrängt.

Munch wusste nicht, wie man damit umgeht. Aber der norwegische Künstler (1863–1944) hielt alles in Bildern fest, die Titel wie «Angst», «Melancholie» und «Eifersucht» tragen. Damit wurde er weltberühmt. Als Betrachter empfindet man überraschend: Trost.

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Im Nationalmuseum ist natürlich auch das berühmteste Bild des norwegischen Malers Edvard Munch zu sehen. - Philipp Laage/dpa-tmn

Erleben lässt sich das im neuen Nationalmuseum in Oslo. Dort haben die Norweger ihrem Munch einen eigenen Raum gewidmet, in dem 18 seiner Werke hängen, darunter das berühmteste: «Der Schrei». Im Jahr 2012 wurde eine Version des Bildes für 119,9 Millionen Dollar versteigert. Eine Weltrekordsumme für eine Gemäldeauktion.

Oslo hat sich herausgeputzt

Einen Superlativ liefert auch das Nationalmuseum selbst, als nun grösstes Kunstmuseum Nordeuropas. Im Juni wurde es eröffnet und macht Oslo endgültig zu einer spannenden Kultur-Metropole.

Oslofjord Grafik Oslo Innenstadt
Oslo steckt voller Kunst-Highlights – die neuesten sind das Nationalmuseum und das Munch-Museum. - dpa-tmn

Es ist nicht der einzige Neubau der jüngeren Zeit: Erst im Oktober 2021 empfing das neue Munch-Museum die ersten Gäste, ein kühner Bau direkt gegenüber dem weissen Opernhaus, das wie ein Eisberg im Oslofjord zu treiben scheint.

Mit der Oper begann die Aufwertung des Hafenviertels Bjørvika im Jahr 2008. Seitdem hat sich viel getan.

Die Promenade am Wasser misst heute neun Kilometer. Überhaupt lässt sich Oslo bequem zu Fuss erkunden. Wer sein Quartier im Zentrum nahe der Karl-Johans-Prachtstrasse und des Hauptbahnhofs aufschlägt, kann in jede Richtung spazieren.

Hinab zum Wasser und an der Festung Akershus vorbei. Hinauf zum Ekebergpark. Oder am Fluss Akerselva entlang, vom Fjord hoch bis ins Ausgehviertel Grünerløkka.

Norwegens Hauptstadt ist zu einem Städtereiseziel geworden, das mehr als einen Tagesbesuch auf einer Nordland-Kreuzfahrt lohnt. Die Kunst – und nicht zuletzt Munch – haben wesentlich dazu beigetragen.

Besuch im neuen Nationalmuseum

Wie ist es nun, das neue Osloer Aushängeschild? Museen werden gerne zuerst von aussen bewertet, als müssten sie selbst architektonische Kunst sein. Das Nationalmuseum versteckt sich fast schon hinter dem Nobel-Friedenszentrum, es wirkt abweisend.

Drinnen wirkt nichts mehr verschlossen. Die Trutzburg für etwa 600 Millionen Franken beherbergt die bedeutendsten Kunstschätze des Landes. An einem Tag ist die Sammlung nicht zu bewältigen, 6500 Werke sind in 86 Räumen ausgestellt.

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An einem Tag nicht zu schaffen: Im Nationalmuseum von Oslo sind 6500 Werke in 86 Räumen ausgestellt. - Philipp Laage/dpa-tmn

Die Kollektion im ersten Stockwerk ist zweigeteilt: Design vor und nach dem Jahr 1900, jeweils thematisch gegliedert. Man wandelt von Saal zu Saal wie durch ein modernes Schloss. Zu sehen gibt es alles von antiken Büsten über chinesisches Porzellan bis zu norwegischer Glaskunst – und die stilsichere Pracht des skandinavischen Designs.

Im zweiten Stockwerk bekommt der Besucher dann Gemälde aus praktisch allen Epochen der Kunst zu sehen und kann sich an den grossen Namen und ihren Werken erfreuen. Darüber hinaus gibt es samische Kunst zu sehen, etwa von Hannah Ryggen und John Savio, dazu Zeitgenössisches.

Im obersten Stock zeigt die 130 Meter lange und sieben Meter hohe Lichthalle wechselnde Ausstellungen norwegischer Künstler.

Was Sie in Oslo noch sehen sollten

Tritt man wieder ins Freie, kann man sich in Aker Brygge direkt am Wasser in einem der Aussenlokale niederlassen. Oder weiterspazieren zum Astrup Fearnley Museum of Modern Art, einem Bau von Renzo Piano.

Dort wird internationale zeitgenössische Kunst gezeigt, in regelmässig wechselnden Ausstellungen. Stars wie Damien Hirst finden sich ebenso wie Künstler, die der Allgemeinheit wohl unbekannt sind.

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Kunst unter freiem Himmel: Blick auf den Vigeland-Skulpturenpark. - Philipp Laage/dpa-tmn

Manchmal befindet sich die Kunst in Oslo auch mitten im öffentlichen Raum. Wer am Osloer Schloss vorbei in Richtung Westen läuft, erreicht irgendwann den Vigelandpark mit Stein- und Bronzeskulpturen des norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland (1869–1943). Höhepunkt ist ein 17 Meter hoher Monolith aus verschlungenen Körpern.

Im Wasser vor dem Opernhaus erhebt sich die Installation «She Lies» von Monica Bonvicini, eine Interpretation von Caspar David Friedrichs Gemälde «Das Eismeer». Und vor dem Munch-Museum ragt eine gewaltige Bronzestatue der britischen Künstlerin Tracey Emin in den Himmel.

Eine Begegnung mit Munch

Schlussendlich sollte man das neue Munch-Museum auf keinen Fall verpassen. Fragt man die Norweger in Oslo, was sie von dem Gebäude halten, hört man viel Spott. «Ich mag Munch, aber das Museum mag ich überhaupt nicht», sagt eine Architektin.

Manch einen hat der Bau an aufeinander getürmte Leitplanken erinnert. Doch auch hier gilt wieder: Es kommt auf die inneren Werte an. Und die faszinieren.

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Das Edvard-Munch-Museum widmet sich der Kunst des berühmten Malers. - Philipp Laage/dpa-tmn

Der fleissige Munch hinterliess Oslo mehr als 26 000 Bilder und Zeichnungen. Hinzukommen 900 Werke, die ein enger Freund des Künstlers stiftete. Das Museum widmet sieben der 13 Etagen der Kunst. Die Hauptausstellung ist in zwölf Themenfelder gegliedert.

Ein Raum zeigt drei Versionen des weltberühmten «Schreis» (das übrigens als Vorlage für den Schrei-Emoticon dient) – ein Gemälde, eine Zeichnung und ein Druck. Immer nur eine Variante wird gezeigt, um die Werke vor zu viel Licht zu schützen.

Ein anderer grosser Saal zeigt drei riesige Monumentalgemälde, die Munch einst für die Zeremonienhalle der Osloer Universität malte. Auch Pop-Art-Meister Andy Warhol nahm sich einige von Munchs Werken vor und recycelte die Motive in der ihm eigenen Form.

Munch zeigt das Leben, wie es ist

Wie jedes gute Museum macht auch dieses den Künstler erlebbar. Am Ende versteht man die Motive seiner Kunst besser. «Ohne Angst und Krankheit wäre mein Leben wie ein Boot ohne Ruder», sagte er einmal.

In der Liebe wird er immer wieder enttäuscht, was seine Bilder beeinflusst. Munch erkannte: Wo Leidenschaft ist, da ist auch Schmerz. Wo Verlangen ist, da ist auch Verlust.

Kunst wirkt immer vor dem Hintergrund bestimmter gesellschaftlicher Imperative. Aktuell liesse sich der folgende identifizieren: Wir sollen jeden Tag glücklich, selbstbestimmt und authentisch durchs Leben schreiten. Munch erinnert daran, dass das unrealistisch ist. Man kann diese Erkenntnis enttäuschend finden. Oder befreiend.

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