Coronavirus hin oder her, die Schweiz will über die Festtage auf die Skier. Zum Ärger der Nachbarländer. Welche Folgen zieht der Streit nach sich?
Coronavirus Skifahren
Gesundheitsminister Alain Berset beugt sich dem europäischen Druck nicht und will die Skigebiete auch über die Festtage offen lassen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz will die Skigebiete auch über die Festtage öffnen.
  • Frankreich, Italien und Deutschland hingegen pochen auf ein europaweites Verbot.
  • Kommunikations-Dozenten ziehen den Vergleich zum Sonderweg Schwedens.

«Ä Kafi am Pischterand» erhitzt auch im Corona-Winter die Gemüter. Und zwar wortwörtlich: Weil die Schweiz das Skifahren über die Festtage erlaubt, schäumen die Nachbarn. Deutschland, Frankreich und Italien sperren die Pisten bis im Januar und drängen die Schweiz zum Mitziehen.

Doch nix da, Gesundheitsminister Alain Berset boxt das Festtags-Skifahren mit schärferen Massnahmen durch.

Die Reaktion des französischen Präsidenten Emmanuel Macron spricht für sich. «Abschreckende Massnahmen» für Ski-Touristen kündete er an und machte heute Ernst: Wintersportler müssen nach dem Schweiz-Skiurlaub zum Corona-Test antraben. Auch Österreich gibt nach: Beizen und Hotels bleiben bis Januar zu, ab 7. Dezember sind die Grenzen praktisch dicht.

Für Image-Dozenten ein gefährlicher Vorbote eines nachhaltigen Schadens für die Schweiz.

Schweiz darf nicht zum Ischgl-Synonym werden

Die Kontroverse «kann sich extrem negativ auf das Verhältnis zu den Nachbarländern auswirken», ist deshalb Markus Renner überzeugt. Der Universitätsdozent für Brand and Reputation Management ist wenig überrascht über den «eidgenössischen Sonderweg».

Renner Coronavirus
Markus Renner ist Vorsitzender der International Brand & Reputation Community. - branding-institute

Mit diesem wolle die Schweiz möglicherweise einmal mehr ihre «Souveränität und Unabhängigkeit von der EU» demonstrieren. Aber auch vom vermeintlichen Wortführer Deutschland.

«Definitiv dürfte das Image der Schweiz mit einem solchen Alleingang leiden», ist Renner überzeugt. Ausser vielleicht bei den Skifahrern, die dieses Schlupfloch nun nutzen könnten. Der letzte Winter habe schliesslich den Verbreitungseffekt des Coronavirus durch das Skifahren und dessen Rahmenbedingungen deutlich aufgezeigt. Stichwort: Ischgl.

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Der österreichische Skiort Ischgl wurde zum Pandemie-Beginn einer der ersten Hotspots des Coronavirus. - Keystone

«Der kleine österreichische Skiort gilt seither international als DAS Synonym für unverantwortliches und, ja: raffgieriges Verhalten einiger weniger zulasten der Allgemeinheit.» Die Schweiz müsse nun aufpassen, nicht als Synonym für dieses Verhalten gesehen zu werden.

Massnahmen gegen Coronavirus: Schweiz wird zum Schweden 2.0

Kommunikationsdozentin Adrienne Suvada erkennt ein Muster: «Die Schweiz fährt ja im Grunde genommen schon lange, ähnlich wie Schweden, einen eigenen Weg.» So etwa mit frühen und schnellen Lockerungen, Grossevents oder spät eingeführter Maskenpflicht aufgrund des Coronavirus. «Etwas überspitzt könnte man sagen, dass die Schweiz das Schweden 2.0 geworden ist.»

Punkto Ski-Diskussion versucht die Schweiz einmal mehr, möglichst viele Interessen unter einen Hut zu bringen, wirtschaftliche wie gesundheitliche. «Allerdings haben wir relativ hohe Todeszahlen und psychologisch kann der Eindruck entstehen, dass der persönliche Spass höher gewichtet wird.»

Coronavirus ZHAW
Adrienne Suvada ist Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. - zhaw

International habe die Krise schön aufgezeigt, «dass trotz grosser Worte schlussendlich jeder für sich schaut». Was durchaus sinnvoll sein kann. Schliesslich verläuft die Pandemie des Coronavirus nicht überall genau gleich.

«Der Schweiz geht es jetzt ähnlich wie Schweden. Die Kritik erstaunt nicht und man wird am Schluss sehen, ob die Schweizer Strategie aufgegangen ist oder nicht.»

Die Dozentin geht nicht davon aus, dass für die Schweiz ein langfristiger Schaden entsteht. «Weil man ja auch gegenseitig voneinander profitiert und auch voneinander abhängig ist.» Dennoch wäre seitens der Behörden eine klarere Kommunikation der Strategie und der Ziele wichtig, appelliert Suvada.

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