Claude Longchamp: Das sind die Klippen für das EU-Abkommen
Noch diesen Monat will der Bundesrat das EU-Abkommen öffentlich machen. Politologe Claude Longchamp sieht drei zu umschiffende Klippen vor der Abstimmung.
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Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat will noch diesen Monat das EU-Abkommen öffentlich machen.
- Danach beginnt ein wohl jahrelang dauernder Abstimmungskampf.
- Drei Faktoren werden dabei entscheidend sein, sagt Politologe Claude Longchamp.
Hunderte von Seiten lang soll das Abkommen mit der EU sein, doch gesehen haben es die wenigsten. Bis jetzt: Denn noch diesen Monat will der Bundesrat die Vorlage ans Parlament verabschieden und damit das Abkommen öffentlich machen.
Dann geht es erst so richtig los. Zwar findet die Volksabstimmung wohl erst 2027 oder gar 2028 statt. Doch bis dahin wird die politische Debatte heftig sein.
Politologe Claude Longchamp beurteilt im Nau.ch-Talk die Faktoren, die zu einem Erfolg oder einem Scheitern der Vorlage führen.
Wer kippt noch ins EU-Nein-Lager?
Longchamp sieht drei Klippen, die das EU-Abkommen noch versenken könnten. Zum einen die Geschlossenheit des Befürworter-Lagers, das bislang auf ein einfaches Erfolgsrezept gesetzt habe: Dass nämlich die Kantone, die Sozialpartner und die Parteien dahinterstehen müssen.

Die SVP lasse sich so oder so nicht überzeugen, so der Politologe. «Aber die Frage ist: Fällt dieses ‹Päckli› der Unterstützer noch auseinander oder nicht?»
Es könnte namhafte Kantone geben, die aussteigen, oder bei den Sozialpartnern die Gewerkschaften. Nicht zuletzt sei auch ein Abspringen der FDP möglich.
Kleine Kantone als Zünglein an der Waage
Weiter entscheidend sein werde das Abstimmungsverfahren: Ob nun ein Ständemehr nötig sein wird oder doch nur ein Volksmehr. «Der Bundesrat argumentiert für ein Volksmehr. Das ist einfacher und auch wahrscheinlicher, dass das zustande kommt.»

Doch die EU-Gegner, allen voran die SVP, argumentieren, es brauche für so einen wichtigen Entscheid ein obligatorisches Referendum.
Bei diesem wäre auch ein Ständemehr nötig für eine endgültige Zustimmung. «Beim Ständemehr wissen wir, dass die kleinen, konservativen Kantone eine Vetofunktion haben und das sie am Schluss entscheiden könnten.»
Der Aussenminister als Unsicherheits-Faktor
Als dritte Klippe sieht Longchamp eine Personalie, je nachdem, wann die Abstimmung dann stattfindet: «Ist dann Ignazio Cassis noch Bundesrat oder nicht? Oder muss man gar noch sein Mandat verlängern, damit er noch Bundesrat ist?»

Denn andernfalls müsste ja ganz zum Schluss des Verfahrens noch ein neuer Bundesrat in den Abstimmungskampf einsteigen. «Das halte ich für eine grosse Unsicherheit für einen Abstimmungskampf», so Claude Longchamp.
Zwei starke Gegner und ein langer Abstimmungskampf
Ein Teil der Gegnerschaft habe sehr schnell losgelegt, stellt der Politologe fest. «Zum Teil erhält man den Eindruck, sie haben ihre Argumente schon gebracht und suchen nun krampfhaft jeden Tag ein neues.»
Zwei Gegner stuft Longchamp als stark ein. «Das ist die SVP, die Langzeit-Kampagnen fahren kann, und es gibt mit ‹Kompass Schweiz› einen neuen, starken Akteur.» Letztere, aus der hohen Finanzwelt stammend, seien jederzeit bereit, einzusteigen.
Je länger der Abstimmungskampf dauere, desto verhärteter würden wohl auch die Fronten. Im umgekehrten Fall, bei baldiger Abstimmung, könne es aber auch einen Überraschungs-Coup geben: «Im Moment sind wohl die Gegner besser gerüstet», so Longchamps Einschätzung.
Bekommt die SVP noch Unterstützung?
Sollte es kein obligatorisches Referendum geben und nur das Volksmehr relevant sein, müssten der SVP weitere Akteure zu Hilfe kommen. Longchamp nennt einige möglichen Beispiele: «Die NZZ, die sich klar auf die Seite der Gegner stellen würde. Der Gewerbeverband oder der Bauernverband, die sich auf die Nein-Seite stellen würden.»
Die Verbände würden als Multiplikator dienen und seinen keineswegs zu unterschätzen. «Und wie erwähnt: Wenn die FDP eine Nein-Parole beschliessen würde, dann wäre die SVP auch nicht mehr isoliert.»
Longchamp hat im Moment allerdings nicht den Eindruck, dass noch eine starke zusätzliche Kraft beim Nein-Lager dazustossen könnte. «Es wird kritische Stimmen geben, es wird abwägende Stimmen geben, aber es wird wohl bei der SVP bleiben.»
Aber eben: Die SVP, die zu Langzeit-Kampagnen fähig ist.