Kilian Baumann (Grüne): Wie mächtig sind Bauern wirklich?

Die Bauern gelten als einflussreicher Berufsstand in Bundesbern. Doch gegenwärtige Politikprofiteure wollen Bäuerinnen und Bauern vor ihren Karren spannen.

Kilian Baumann ist Berner Nationalrat für die Grünen und Bio-Landwirt. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Je nach politischem Standpunkt ist das Bild der Bauern verzerrt.
  • Eine konstruktive Debatte über eine zukunftsfähige Agrarpolitik wird dadurch erschwert.
  • Ein Gastbeitrag des Berner Nationalrats Kilian Baumann.

Geht es um Landwirtschaft und Agrarpolitik, sind sich alle einig: Die Bauern haben die schlagkräftigste Lobby in Bern und gegen sie ist eigentlich keine Abstimmung zu gewinnen. Je nach politischem Standpunkt ist das Bild der Bauern aber ein ganz anderes.

Der einen Seite dienen sie als Identifikationsfigur und werden als bodenständige, natur- und heimatverbundene Chrampfer glorifiziert. Dieses mythisch überhöhte Bild ist so wirkmächtig, dass sich auch milliardenschwere Industrielle gerne öffentlichkeitswirksam auf Strohballen setzen, um sich in diesem urschweizerisch-bäuerlichen Glanz zu sonnen.

Demgegenüber bedient die andere Seite gerne das Klischee von den Bauern als halsstarrige Hinterwäldler, die ihre viel zu grosse Macht unter der Bundeshauskuppel einzig zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen nutzen, ohne Rücksicht auf die Natur, das Klima und das Tierwohl.

«Bauernbashing!» und «Heimattümelei!» lauten die gegenseitigen Vorwürfe und so falsch beide Bilder sind, so fest sind sie in den Köpfen verankert und erschweren eine konstruktive Debatte über eine zukunftsfähige Agrarpolitik.

Die grosse Vielfalt in der Landwirtschaft wird ignoriert

Vor allem vermittelt die Berichterstattung über Landwirtschaft immer das Bild eines geschlossenen Bauernstandes und übersieht die grosse Vielfalt in der Branche. Zwischen kleinen Bergbauernhöfen mit wenigen Kühen im Stall und grossen, industrialisierten Landwirtschaftsbetrieben liegen ganze Welten.

Progressiven Bäuerinnen und Bauern, die mit innovativen Methoden und Produkten eine ökologische und klimaschonende Landwirtschaft betreiben, stehen bodenunabhängig produzierende Poulet- und Schweinemastbetriebe gegenüber, deren Geschäftsmodell nur durch den grosszügigen Import von Futtermitteln wie Soja möglich ist. Und das ganze Spektrum gibt es natürlich in Bio, IP und konventionell. Dass all diese Betriebe in ihrer Verschiedenheit die gleichen politischen Interessen verfolgen, ist nur schwer vorstellbar. Aber trotzdem sprechen alle über DIE Bauern und DIE Bauernlobby.

Ein Verband für alle Bäuerinnen und Bauern?

An diesem Narrativ eines geschlossenen Bauernstandes hat der Schweizerische Bauernverband massgeblich mitgestrickt, obwohl er selber gar nicht die Interessen aller Bäuerinnen und Bauern vertritt. So war die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte massgeblich vom Bauernverband geprägt, doch in der gleichen Zeit sank die Zahl der Bauernbetriebe um über die Hälfte auf aktuell weniger als 50'000.

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Dieses immer weiter fortschreitende Hofsterben wird in den Sonntagsreden zwar gerne beklagt, gleichzeitig verfolgt man aber unbeirrt weiter eine Politik zugunsten der industriell produzierenden Grossbetriebe und wehrt sich vehement gegen jeden Schritt in Richtung Vielfalt, Ökologie und Nachhaltigkeit. Davon profitieren natürlich auch die Grossverteiler und die Agrarindustrie aus dem Speckgürtel der Landwirtschaft, insbesondere der Pestizid-, Futtermittel-, Dünger- und Landmaschinenhandel.

Denn diese intensiven Produktionsformen sind stark von solchen Vorleistungen abhängig, die häufig importiert werden müssen. Eine kleinräumige, vielseitige und ökologische Landwirtschaft ist demgegenüber nicht nur krisenresistenter, sondern auch weit weniger auf solche Vorleistungen angewiesen. Entsprechend geringer fallen natürlich die Profite der Agrarkonzerne aus.

Ländliche Identitätspolitik für die Interessen der Konzerne

Aber trotz der grossen Vielfalt und auch gegenläufigen Interessen in der Landwirtschaft gelingt es dem Bauernverband, dass sich ein grosser Teil der Bäuerinnen und Bauern hinter ihn schart und seine Politik zugunsten einer immer intensiveren Produktion mitträgt. Dabei sind das Mantra von einem geschlossenen Bauernstand und die Instrumentalisierung von jeder Kritik als Bauernbashing und Angriff auf ihre urschweizerisch-bäuerliche Welt zentrale Elemente seiner Kampagnen.

Als meinungsmächtige Multiplikatoren ermöglichen Bäuerinnen und Bauern die Mobilisierung von weiten Kreisen der ländlichen Bevölkerung und die spalterische Stadt-Land-Polemik verstellt den Blick auf die eigentlichen Profiteure dieser Politik: die grossen Konzerne, die mit dieser ländlichen Identitätspolitik die Bäuerinnen und Bauern vor ihren Karren spannen.

Zum Autor: Kilian Baumann ist Biobauer, Nationalrat der Grünen und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, die sich für eine vielfältige, ökologische und soziale Landwirtschaft engagiert.