Mit zwei Champions im Cockpit galt DS Penske als Top-Favorit in der neuen Saison der Formel E. Bisher war es zäh – der Sieg in Indien ist deshalb Gold wert.
Vergne DS Formel E
Jean-Éric Vergne beschert DS Penske den ersten Sieg in der Formel E. - FIA Formula E
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jean-Éric Vergne beschert DS Penske nach einem mühsamen Saisonstart den ersten Sieg.
  • Die Schweizer erleben in Hyderabad ein Rennen mit vielen Höhen und Tiefen.
  • Die neueste Auto-Generation der Formel E entwickelt sich in die richtige Richtung.

Das erste Gastspiel der Formel E in Indien sorgt gleich für ein Spektakel. Sébastien Buemi rutscht mit einer Strafe vom Podest, Jean-Éric Vergne feiert einen emotionalen Sieg. Motorsport-Insiderin Carla Welti und Nau.ch-Experte Mathias Kainz diskutieren den Hyderabad-ePrix.

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Nau.ch: In Hyderabad feiert Jean-Éric Vergne den ersten Sieg für das neue DS-Penske-Team. Ist nach dem verpatzten Saisonstart jetzt der Knoten geplatzt?

Carla Welti: Das ist immer schwierig zu sagen. DS Penske hat in Hyderbad mit Sicherheit bewiesen, dass sie zwei gute Fahrzeuge haben. Vergne musste sehr hart für seinen Sieg kämpfen. Platz acht für Vandoorne war bei diesem ereignisreichen Rennen auch nicht einfach. Ob jetzt der Knoten geplatzt ist? Das wird die Zeit zeigen.

Mathias Kainz: Nach den schwierigen Auftaktrennen gibt das Resultat in Indien sicher enorm Auftrieb. Allerdings hatte man schon den Eindruck, dass die Antriebsstränge von Jaguar und Porsche einen Vorteil darstellen. Den Sieg hat sich Vergne mit seiner starken Verteidigung erarbeitet. Und Vandoorne hatte diesmal das nötige Glück, das war ihm bisher nicht hold.

Nau.ch: Stichwort Stoffel Vandoorne – der amtierende Weltmeister ist von der WM-Spitze weit weg. Warum kann der Belgier nicht mit seinem Teamkollegen mithalten?

Mathias Kainz: Für Vandoorne kommt in dieser Saison vermutlich eine ganze Menge zusammen. Er muss sich nicht nur an ein neues Auto und die neuen Reifen gewöhnen, sondern auch an ein neues Umfeld. Und Doppel-Champion Vergne als Teamkollegen zu haben, ist sicherlich nicht einfach. Da kommt noch viel Arbeit auf ihn zu.

Vandoorne DS Formel E
Stoffel Vandoorne (DS Penske) beim Hyderabad-ePrix der Formel E. - FIA Formula E

Carla Welti: Für JEV ist es sicher ein Vorteil, dass er DS schon seit vielen Jahren kennt. Auch, wenn das Gen3-Auto neu ist – es wird gewisse Gewohnheiten mit der Marke und dem Team geben. Ich schätze Stoffel als starken und zielstrebigen Fahrer ein. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sich bald in die Top Ten kämpfen kann. Der Rückstand in der Meisterschaft wird aber schwer aufzuholen sein.

Schweizer Stars in der Formel E im Pech

Nau.ch: Aus Schweizer Sicht war es ein schwieriges Wochenende: Edoardo Mortara holte als Zehnter einen Punkt. Nico Müller verpasste die Top Ten knapp, Sébastien Buemi rutschte mit einer Strafe vom Podest auf Platz 15 ab. Wie beurteilt ihr die Leistungen der drei?

Carla Welti: Unterschiedlicher hätten sie in diesem Rennen nicht sein können. Mortara hat sich wortwörtlich durchgekämpft mit der abgebrochenen Front am Maserati. Die hat auch zur ersten Gelben Flagge geführt. Müller hatte unglaubliches Glück, nicht von den fliegenden Teilen getroffen zu werden, und sich gut aus dem Chaos rausgehalten. Buemi hat eine brillante Show geboten, musste aber Platz drei abgeben. Wie der Leistungs-Fehler bei Envision passiert ist, weiss ich nicht – das ist äusserst unglücklich. Aber sie zeigen alle, dass sie brillante Fahrer sind.

Buemi Envision Formel E
Sébastien Buemi (Envision) beim Hyderabad-ePrix der Formel E. - FIA Formula E

Mathias Kainz: Vor allem Buemi hatte ein richtig starkes Rennwochenende. Es ist schön, ihn wieder vorne mitfahren zu sehen – vor allem nach den letzten beiden Jahren. Bei Envision scheint er sich richtig wohlzufühlen. Sowohl bei Mortara als auch bei Müller ist das Auto noch nicht da, wo es sein sollte. Da wundert es mich auch nicht, dass mal Fehler passieren, so wie eben bei Mortara. Die Tendenz geht aber bei beiden in die richtige Richtung.

Nau.ch: Mortara hat mit seinem verlorenen Frontflügel die erste Gelb-Phase ausgelöst. Die Rennleitung hätte da schon früher eingreifen können. Auch in Sachen Track Limits stand die Rennleitung in Hyderabad im Fokus. Muss sich da etwas ändern?

Mathias Kainz: Die Situation mit Mortara ist für mich völlig unverständlich. Er fuhr mit dem Frontflügel unter dem Auto mehrmals um den Kurs, bis er davonflog und auf der Strecke landete. Da hätte man ihn an die Box zwingen müssen – die Mittel dazu hat die Rennleitung ja. Die Track-Limits-Debatte wäre einfacher zu lösen gewesen: Gleiche Handhabung im Qualifying und Rennen, dann gibt es keine Diskussionen.

Mortara Maserati Formel E
Edoardo Mortara (Maserati) fuhrt beim Hyderabad-ePrix trotz beschädigtem Frontflügel. - FIA Formula E

Carla Welti: Das Handling der Renndirektion führt in vielen Serien oft zu Diskussionen. Von aussen zu beurteilen, was man alles besser machen könnte, ist immer ein Einfaches. Wir sehen nur einen Bruchteil von dem, was die Renndirektion auf ihren unzähligen Screens sieht. Die müssen komplexe Entscheidungen in kurzer Zeit fällen. Grundentscheidungen, wie die Track Limits, können aber klarer gehandhabt werden.

Gen3 ein «wichtiger Schritt» für die Formel E

Nau.ch: Hyderabad war das vierte Rennen der neuen Gen3. Wie fällt euer Zwischenfazit zu den neuen Autos aus?

Carla Welti: Die vergangenen acht Jahre hatte ich meine Mühe damit, meine Begeisterung für die Formel E zu finden. Aber die Gen3 hat mich gepackt. Alle vier Rennen bisher waren geballt mit Action, grossartigen Duellen und imposanten Moves. Die Fahrer erwähnen regelmässig, dass der Gen3 eine Herausforderung hinter dem Steuer ist, was die gebotene Leistung umso erstaunlicher macht.

Mathias Kainz: Die Formel E hat mit den Gen3-Autos einen wichtigen Schritt gemacht. Leichter, kleiner, schneller – eigentlich die perfekte Evolution für ein Rennauto. Besonders gut gefällt mir, dass die Fahrer wieder ein bisschen besser aufpassen müssen. Sich vorbeirempeln, wie das mit Gen2 noch gerne gemacht wurde, klappt mittlerweile nicht mehr. Das macht die Überholmanöver umso verdienter und umso spektakulärer.

Vergne DS Formel E
Jean-Éric Vergne (DS Penske) vor Nick Cassidy (Envision) beim Hyderabad-ePrix der Formel E. - FIA Formula E

Nau.ch: Zu guter Letzt: Wer war in Indien euer Fahrer des Tages?

Carla Welti: Da muss ich meine Wahl auf Jean-Éric Vergne legen. Die Verteidigung, die er gezeigt hat – vor allem in den letzten Runden – war Rennfahren auf höchstem Niveau. Man muss dazu aber erwähnen, dass auch Cassidy seinen Beitrag dazu geleistet hat. Die beiden sind an der Front äusserst fair und trotzdem stark gefahren.

Mathias Kainz: Für mich war Nick Cassidy der Fahrer des Tages – von der Pace her war er klar der Schnellste. Schön auch, dass er nicht mit der Brechstange versucht hat, an Vergne vorbeizukommen. Ich möchte aber auch Pascal Wehrlein lobend erwähnen: Nach diesem Crash am Freitag von Platz zwölf auf Rang vier zu fahren, das ist Weltklasse.

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