Das Löw-Team legt bei bestem Wetter in den Tiroler Alpen los. Zwei prominente Rückkehrer sollen schnell ein Führungs-Vakuum schliessen. Gute-Laune-Spieler Müller treibt gleich wieder laut an.
Zurück beim DFB-Team: Thomas Müller (l),Kevin Volland und Mats Hummels (r) beim ersten Training in Seefeld. Foto: Christian Charisius/dpa
Zurück beim DFB-Team: Thomas Müller (l),Kevin Volland und Mats Hummels (r) beim ersten Training in Seefeld. Foto: Christian Charisius/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jetzt sind sie wirklich wieder dabei.

Die Stimme von Antreiber Thomas Müller war auf dem Trainingsplatz mit Blick auf die Tiroler Alpen sofort deutlich zu vernehmen.

Und im Übungskreis mit Müller und Defensiv-Routinier Mats Hummels, den zwei prominenten Rückkehrern in die Fussball-Nationalmannschaft, ging es deutlich lauter, intensiver und ehrgeiziger zur Sache als in den weiteren Gruppen. Bundestrainer Joachim Löw schaute in der Seefelder Olympiaregion direkt unter den zwei Sprungschanzen dem Training der 19 Spieler aufmerksam zu. Der junge Bayern-Profi Jamal Musiala absolvierte wegen muskulärer Probleme ein individuelles Programm.

Müller und sein Kumpel Hummels fügten sich am Freitag nach zweieinhalb Jahren Pause im DFB-Team so ein, «als ob sie nie weggewesen wären», berichtete DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der sich von Müller gleich wieder einige seiner berüchtigten Sprüche anhören musste. Er habe den Eindruck, dass Müller und Hummels «als absolute Vorbilder vornwegmarschieren, ihre Persönlichkeit und Qualität einbringen» wollen. Zu welcher Art Aufheiterung Müller gleich nach der Ankunft beigetragen hatte, verriet Bierhoff nicht.

Hummels schneller als Müller

Die Rio-Weltmeister Müller und Hummels wurden vom DFB-Fahrdienst zum Teamquartier gebracht. Der lässig in weissen Shorts ins Quartier schlendernde Hummels war dabei einige Minuten schneller als der von Kapitän und Bayern-Kollege Manuel Neuer begleitete Müller. Gute-Laune-Typ Müller lächelte unter seiner FFP2-Maske in der Tiroler Mittagssonne und winkte kurz in Richtung der Kameras und Fotografen. «Beide haben eine tolle Saison gespielt, beide sind grosse Persönlichkeiten», sagte Bierhoff und schloss für die EM ab 11. Juni seine Erwartung an, gemeinsam «tolle Erfolge» zu feiern.

Den Roten Teppich hatte der Bundestrainer den von ihm 2019 aussortierten Nationalspielern schon zuvor verbal ausgerollt: «Diese Spieler bedeuten mir viel.» Auf 1200 Meter Höhe will Löw bei seiner letzten Mission als oberster deutscher Fussballlehrer mit Müller und Hummels die Hierarchie im Team neu ausrichten und die entscheidenden Grundlagen für eine erfolgreiche EM legen. «Das Trainingslager ist ein wichtiger Schlüssel für das Turnier», sagte der 61-Jährige, der nach dem paneuropäischen Kräftemessen nach insgesamt 17 Jahren beim DFB und davon 15 Jahren als Bundestrainer abtritt.

«Haben eine hohe Qualität»

Schon am Abend des Ankunftstages war in den Tiroler Alpen das erste Training hinter insgesamt 2,5 Kilometer langen Absperrzäunen angesetzt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind durch die Corona-Pandemie nochmals ausgeweitet worden. «Jetzt steht Arbeit im Vordergrund, die Dinge absolut konzentriert anzugehen», erklärte Bierhoff, der bei den 20 zunächst angereisten Spielern eine gute Stimmung gespürt hat. «Wir haben eine hohe Qualität, hervorragende Charaktere» - die Grundlage für ein besseres Turnier als zuletzt die WM 2018 in Russland.

Müller (31) und Hummels (32) nehmen in Löws Plänen sofort wieder einen herausgehobenen Platz ein. «Es ist klar, dass man von ihnen gewisse Dinge erwartet. Wir machen es aus sportlicher Überzeugung, dass sie der Mannschaft helfen können mit ihrer Erfahrung», sagte der Bundestrainer. Beide Profis können und sollen ein Führungs-Vakuum schliessen, das sich zuletzt nicht nur bei den Länderspiel-Blamagen gegen Spanien (0:6) und Nordmazedonien (1:2) aufgetan hatte.

Viel Zeit hat er nicht, um Müller (100 Länderspiele) und Hummels (70 Einsätze) wieder zu integrieren. Am kommenden Mittwoch gibt es beim Test in Innsbruck gegen Dänemark höchstwahrscheinlich das Länderspiel-Comeback beider Leitfiguren. Sie können dabei einen Startvorteil nutzen: Während andere wichtige EM-Spieler erst einmal in Seefeld fehlen, sind der Münchner Müller und der Dortmunder Hummels zusammen mit einem grossen Bayern-Block von Anfang an bei den Trainingseinheiten dabei. «Das hilft», bemerkte Bierhoff.

Kroos-Ankunft offen

Bei Real-Madrid-Star Kroos ist offen, wann er nach seiner Corona-Infektion nach Österreich anreisen kann. «Wir warten täglich darauf, das die Ergebnisse negativ sind», berichtete Bierhoff. In «ein, zwei Tage» erwarte er Kroos in Seefeld. Teamarzt Tim Meyer berichtete von einem «leichten Verlauf» der Corona-Erkrankung bei Kroos. Trotzdem müsse man den 31-Jährigen dann vorsichtig und schrittweise wieder auf körperliches Topniveau bringen, sagte der Mediziner. Bayern-Profi Leon Goretzka wartet nach einem Muskelfaserriss noch auf seine Rückkehr auf den Platz.

Ilkay Gündogan auf der einen sowie Timo Werner, Antonio Rüdiger und Kai Havertz auf der anderen Seite stehen sich am Samstag in Porto zunächst beim Champions-League-Finale zwischen Manchester City und dem FC Chelsea gegenüber. «Kopfzerbrechen» bereitet Bierhoff, dass die vier Spieler bei einer Einreise aus dem Virusmutantengebiet England nach Deutschland 14 Tage in Quarantäne müssten. Für den Standort Seefeld haben die österreichischen Behörden dem DFB eine Ausnahmeregelung gewährt. Jetzt muss Bierhoff die optimale Lösung finden, am 7. Juni steht in Düsseldorf die EM-Generalprobe gegen Lettland auf dem Programm.

Zu einem der Schwerpunkte des Trainingslagers hat der Bundestrainer neben den taktischen Brennpunkten «defensive Ordnung und offensive Möglichkeiten» sowie «schwerpunktmässig» auch Standardsituationen das Thema Teambildung erklärt. Anders als bei der Vorbereitung auf die krachend gescheiterte WM-Mission 2018, die von Teamkonflikten wie den Fotos von Mesut Özil sowie Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan überschattet worden war, soll in Seefeld harmonisch gearbeitet werden. «Wir müssen das Bewusstsein haben, dass wir voll bei der Sache sind», forderte Bierhoff.

Denn ein Wunsch vereint Löw und seine Spieler. Den formulierte Bayern-Profi Leroy Sané in der ARD zum Vorbereitungsstart: «Ich will die Zeit geniessen, aber im Endeffekt will ich mit dem ganz grossen Traum wieder nach Hause kommen und den Titel gewinnen.»

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