Beim FC Bayern München war Uli Hoeness jahrzehntelang die Abteilung Attacke. Nun tritt der 69-Jährige erstmals im TV-Studio als Länderspielexperte auf. Vorab spricht er über Löw und ein Müller-Comeback.
Arbeitet nun als Fussball-Experte im TV: Uli Hoeness. Foto: Tobias Hase/dpa
Arbeitet nun als Fussball-Experte im TV: Uli Hoeness. Foto: Tobias Hase/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Uli Hoeness hat einen neuen Job.

Der Ehrenpräsident des FC Bayern München wird bei den drei WM-Qualifikationsspielen der Fussball-Nationalmannschaft gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien als RTL-Experte auftreten.

«Mich reizt das ungemein», sagt Hoeness im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er will sagen, was Sache ist, auch nach dem Abpfiff im Gespräch mit Bundestrainer Joachim Löw.

Mit 69 Jahren machen Sie noch einmal etwas Neues und werden als RTL-Experte die anstehenden Länderspiele verbal begleiten. Was ist Ihre Motivation? Ist Ihnen nach dem weitgehenden Rückzug beim FC Bayern ein wenig langweilig geworden am schönen Tegernsee?

Uli Hoeness: Das kann ich nicht behaupten. Aber es gibt einige Gründe, warum ich das mache. Erstens hat RTL unheimlich um mich geworben. Anfangs dachte ich, nein. Nach längerem Überlegen habe mir dann gedacht, warum eigentlich nicht. Mich reizen Herausforderungen. Ich habe so etwas noch nie gemacht, und die, die es gemacht haben, habe ich belächelt. Jetzt sehe ich das als Herausforderung. Darum habe ich mich auch erstmal nur für drei Spiele verpflichten lassen, auch wenn die Herrn von RTL gleich ein paar Spiele mehr vereinbaren wollten.

Und warum noch?

Hoeness: Es gibt auch ein gutes Honorar. Und da ich meine ausserordentlichen Einkünfte spende und durch die Pandemie Vorträge und dergleichen wegfallen, sind die Stiftungen, die ich mit diesem Geld sonst bediene, etwas zu kurz gekommen. So habe ich jetzt eine wunderbare Gelegenheit, das Honorar für die drei Spiele an drei Stiftungen zu spenden. So kann ich das Gute mit dem Nützlichen verbinden.

Sie standen und stehen für Klartext: Welche Art Experte dürfen die Zuschauer erwarten? Blüht Joachim Löw die Abteilung Attacke?

Hoeness: Nein. Erstens bin ich kein Kommentator während des Spiels, sondern schaue es mir im Studio zusammen mit Moderator Florian König an. Wir werden vor dem Anpfiff über die Situation des deutschen Fussballs sprechen, in der Halbzeitpause und nach dem Spiel. Da werden wir dann auch ein Gespräch mit Jogi Löw führen. Und da werde ich sagen, was ich gesehen habe. Ich werde mich sicherlich auch mit der aus meiner Sicht schwierigen Situation beim DFB beschäftigen. Ich sehe es als grosses Problem an, was da im Moment passiert.

Worüber wollen Sie noch reden?

Hoeness: Wir müssen auch mal über den Nachwuchsfussball nach der Pandemie sprechen. Da brechen im Moment viele Dämme. Jugendliche treten aus den Vereinen aus, weil sie keine Möglichkeit mehr haben, Fussball zu spielen. Wie geht es da weiter? Was macht der DFB? Was können wir als Profivereine tun? Rund um das Länderspiel gibt es also viele Themen zu besprechen.

Sie wollen lieber über das grosse Ganzen reden als über falsche Neuner, Gegenpressing oder taktische Systeme?

Hoeness: Das sollen Kommentator Marco Hagemann und der ehemalige Nationalspieler Steffen Freund als Co-Kommentar während des Spiels machen. Die können sich mit der 'falschen Acht' und der 'krummen Neun' beschäftigen. Ich werde eher den Einsatz der Spieler bewerten und ob nach dem 0:6 in Spanien ein Aufwärtstrend zu sehen ist. Ich will das gerne positiv begleiten, weil ich sehr daran interessiert bin, dass der deutsche Fussball vorankommt. Denn die Bundesliga lebt von der Nationalmannschaft - zumindest war das lange so. Es muss darüber gesprochen werden, was man tun kann, um die Attraktivität der Nationalmannschaft zu verbessern und ihr wieder den Stellenwert in der Gesellschaft zu geben, den sie verdient.

Was hat denn Ihre Frau zu Ihrer neuen Aufgabe gesagt?

Hoeness (lacht): Die hat ein bisschen den Kopf geschüttelt und gesagt, ob mir langweilig sei, so wie Sie es auch eingangs gefragt haben. Aber sie kennt mich ja! Ich habe manchmal verrückte und auch spontane Ideen. Mich reizt das jetzt ungemein. Wer aber glaubt, dass ich alles in Schutt und Asche rede, der täuscht sich. Ich will konstruktiv und kritisch, aber - wenn möglich - auch positiv die Länderspiele begleiten.

Das Zusammenspiel von Moderator und Experte ist wichtig. Es gab - auch noch in Löws Amtszeit - das legendäre und ausgezeichnete Duo Günter Netzer und Gerhard Delling bei der ARD. Ihr Partner im RTL-Studio wird Florian König sein. Haben Sie Ihre Rollen geprobt?

Hoeness: Nein. Wir haben im Vorfeld ein grösseres Interview gemacht, das über die RTL-Sender ausgestrahlt wurde. Ich schätze Herrn König sehr. Ich bin froh, dass er mein Partner ist. Ich gebe zu, dass mir das Duo Netzer/Delling immer sehr viel Spass bereitet hat. Wir wollen sie nicht kopieren. Ich freue mich, wenn die Leute hinterher sagen, wir hätten es prima gemacht. Florian König hat mir früher sehr gut gefallen bei der Formel 1 mit Niki Lauda als Experte. Und darum bin ich davon überzeugt, dass wir ein gutes Team bilden werden.

Haben Sie sich mal mit Oliver Kahn ausgetauscht, der vor seiner Rückkehr zum FC Bayern im ZDF Länderspiele analysierte?

Hoeness: Ja, mit Oliver habe ich gesprochen. Ich weiss, dass Oliver das sehr, sehr intensiv gemacht hat. Er hat auch viel über taktische Dinge gesprochen. Ich will da nicht so in die Tiefe gehen.

Nach dem 0:6 gegen Spanien gab es heftige Debatten über Joachim Löw. Nun hat er seinen Rückzug als Bundestrainer nach der EM im Sommer angekündigt. Er hatte Sie sogar vorab darüber informiert. Wie bewertet der TV-Experte Hoeness diese Entscheidung?

Hoeness: Ich habe sie sehr begrüsst, weil Jogi damit das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen hat. Er wäre doch zum Spielball geworden. Nach jedem Länderspiel hätte man die Trainerfrage gestellt. So hat er Fakten und klare Verhältnisse geschaffen. Das ist für ihn und für sein Nervenkostüm, nachdem was er geleistet hat, eine gute Lösung. Ich finde es auch gut, dass er das frühzeitig angekündigt hat. Jetzt kann sich der DFB in aller Ruhe um die Nachfolge kümmern. Ich bin überzeugt, dass beim DFB ohnehin viel zu verändern ist - nicht nur der Bundestrainer.

Was erwarten Sie vom Nationalteam in den anstehenden Partien? Und was ist drin für Deutschland bei der Europameisterschaft?

Hoeness: Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft viel besser spielen wird als zuletzt. Ich erinnere an die Überbelastung der Spieler vom FC Bayern im vergangenen Herbst. Teilweise waren sie gar nicht dabei oder verletzt. Jetzt muss man sehen, wen Jogi Löw gegen Island zur Verfügung hat. Wenn die Mannschaft relativ komplett ist, ist immer mit ihr zu rechnen. Ich kenne ja meine Münchner Pappenheimer, die sind auch im Nationaltrikot sehr ehrgeizig. Und wenn die sich mal alle wieder richtig reinhängen, dann wird das schon gut werden.

Ist Löws Team aktuell ein Titelkandidat bei der EM?

Hoeness: Nein. Man kann nicht 0:6 in Spanien verlieren und dann sagen, zur EM fahre ich als Favorit. Aber Deutschland als Aussenseiter ist vielleicht auch mal eine gute Ausgangsposition.

Corona hat Europa weiter fest im Griff. Halten Sie da eine EM in zwölf Ländern, noch dazu mit Zuschauern, wie vom UEFA-Präsidenten jüngst gefordert, für eine angesagte Lösung?

Hoeness: Ich kann mir derzeit kaum vorstellen, dass sich das in zwölf Ländern realisieren lässt. Wir müssen abwarten, wie sich die Inzidenzwerte entwickeln. Auch die Zuschauerfrage kann sich nur dann positiv entwickeln, wenn die Werte bis zum Turnier so sind, dass keine Gefahr für die Zuschauer besteht. Das ganze Geschäftliche muss hinten anstehen. Die Gesundheit der Menschen, der Zuschauer und aller EM-Beteiligten steht für mich an erster Stelle.

Sieben Bayern-Profis stehen in Löws Kader. Über einen, der nicht dabei ist, wird heiss debattiert: Thomas Müller. Glauben Sie, dass ihn Löw für die EM zurückholt? Werden Sie es ihm im RTL-Studio raten?

Hoeness: Jogi Löw kennt meine Meinung. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die deutsche Nationalmannschaft bei der EM mit Thomas Müller spielen wird.

Wie haben Sie dem Bundestrainer das begründet?

Hoeness: Man kann ja nicht auf einen Spieler verzichten, der in der Bundesliga und in der Champions League eine prägende Figur ist beim FC Bayern. Es geht ja nicht um eine Nachwuchsmannschaft, die man aufbauen muss, sondern um eine Mannschaft, die etwas gewinnen soll. Gerade jetzt, wo es das letzte Turnier von Jogi Löw ist, müssen die Besten spielen. Und Thomas gehört zweifellos zu den Besten in Deutschland. Deshalb muss er bei der Europameisterschaft spielen.

Gilt das auch für Mats Hummels und Jérôme Boateng, die Löw gemeinsam mit Müller vor zwei Jahren aussortiert hatte?

Hoeness: Ich möchte hier jetzt keine Personalpolitik betreiben. Sie hatten mich nach Müller gefragt, da habe ich eine klare Meinung - aber da fällt es auch am leichtesten. Alles andere wird Jogi Löw schon richten.

Haben die Bayern-Spieler einen Bonus beim Experten Hoeness?

Hoeness: Keiner muss damit rechnen, dass ich besonders kritisch bin. Wenn sie gut spielen - und davon gehe ich aus - werde ich das erwähnen. Und wenn sie schlecht spielen, werde ich versuchen, smart zu sein.

Sie haben die Suche nach einem Nachfolger für Löw schon angesprochen. Viele Namen wurden und werden genannt, Jürgen Klopp, Ralf Rangnick, Lothar Matthäus, natürlich auch Bayern-Trainer Hansi Flick. Wer wird's denn? Oder wer sollte es werden?

Hoeness: Das kann ich nicht sagen. Das sollen Oliver Bierhoff und der DFB in aller Ruhe entscheiden. Ich finde es gut, dass man sich Zeit lassen will. Es gibt sicherlich die eine oder andere Möglichkeit - und am Ende muss der Schuss sitzen.

Was würden Sie von einem spektakulären Trainertausch halten: Flick zum DFB und Löw zum FC Bayern?

Hoeness: Naja, jetzt wollen wir uns nicht die Köpfe der anderen zerbrechen. Karl-Heinz Rummenigge hat sich ja ziemlich festgelegt, was Hansi Flick anbelangt. Und dem ist im Moment nichts hinzuzufügen.

Ist für Sie nach den drei Länderspielen auch eine weitere Staffel bei RTL denkbar? Die gibt es ja häufiger bei TV-Serien.

Hoeness (lacht): Ja, das ist richtig. Es gibt die Anfrage für zwei weitere Spiele im Juni, aber wie gesagt: Ich möchte erstmal sehen, ob ich das kann, ob ich es gut mache, ob die Zuschauer mich akzeptieren. Ich bin ziemlich selbstkritisch. Ich bin da entspannt. Ich möchte den Leuten Spass machen. Und dann werden wir gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Bundesliga-Titelkampf. Nach der Länderspielpause kommt es zum Showdown zwischen RB Leipzig und Ihren Bayern. Sind die Leipziger inzwischen schon auf Augenhöhe?

Hoeness: Die Leipziger spielen eine überragende Saison. Sie sind auch viel konstanter geworden. Da wird gute Arbeit geleistet. Sie haben im Moment Borussia Dortmund als grossen Bayern-Verfolger eindeutig abgelöst. Das wird ein super Fussballspiel. Für uns ist es wunderbar, dass wir mit vier Punkten Vorsprung nach Leipzig fahren können. Leipzig muss also kommen. Denn wenn sie nicht gewinnen, werden sie sicherlich nicht Meister. Dieses Spiel hat darum einen grossen Reiz.

ZUR PERSON: Uli Hoeness, geboren am 5. Januar 1952 in Ulm, prägte den FC Bayern vier Jahrzehnte lang als Manager und später Präsident. Als Fussball-Profi wurde er mit dem Club Europapokalsieger, deutscher Meister und DFB-Pokalsieger. Als Nationalspieler wurde der Stürmer Europameister (1972) und Weltmeister (1974). 2019 trat er als Vereinspräsident ab. Er gehört aber noch dem Aufsichtsrat an.

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