Ursina Anderegg (GB): «Kulturprojekte müssen besser entlöhnt werden»

Miguel Pereiro
Miguel Pereiro

Bern,

Ursina Anderegg, Co-Präsidentin vom Grünen Bündnis, erklärt im Interview, wieso die Stadt Bern mehr Geld für die Kulturförderung ausgeben soll.

Anderegg Bern GB Kulturförderung
Ursina Anderegg, Stadträtin Bern (Grünes Bündnis). - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Stadt Bern hat die Mittel für die Kulturförderung wegen Sparmassnahmen gestrichen.
  • Ursina Anderegg (GB) fordert: Die Sparmassnahmen müssen rückgängig gemacht werden.
  • Im Interview erklärt sie, wieso die Branche klar geregelte Arbeitsbedingungen braucht.

Die Stadt Bern kürzt mit der Kulturbotschaft 2024–2027 die Mittel, schreibt den Begünstigten gleichzeitig aber auch vor, dass sie «branchenübliche» Arbeitsbedingungen einhalten müssen. Linke Stadträtinnen fordern nun per Motion, dass der Gemeinderat verbindliche Richtlinien für faire und transparente Anstellungsbedingungen definiert.

Eine der Motionärinnen ist Ursina Anderegg vom Grünen Bündnis, die im Interview mit Nau.ch ihre Beweggründe erklärt.

Nau.ch: Sehen Sie bei der Kulturförderung Handlungsbedarf? Weshalb?

Ursina Anderegg: In den letzten Jahren wurde bei der städtischen Kulturförderung gespart, während viele Kulturschaffende von ganz unterschiedlichen Unsicherheiten bedroht waren. Gleichzeitig ist der Anspruch an ihre Arbeit gestiegen: Kulturprojekte müssen besser entlöhnt werden und sie müssen ökologischer ausgerichtet sein.

zwangsheirat haus der religionen
Das Haus der Religionen in Bern. - Keystone

Gerade in den aktuellen gesellschaftlich sehr herausfordernden Zeiten sind wir alle auf ein breites, zugängliches Kulturangebot angewiesen: Das hat einen grossen Wert für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb muss die Kulturförderung gute Rahmenbedingungen schaffen – die Sparmassnahmen müssen rückgängig gemacht werden.

Nau.ch: Weshalb sind so viele Kulturbetriebe nicht selbsttragend und auf Fördergelder angewiesen?

Anderegg: Kultur anzubieten, kostet viel: Einen grossen Teil der Arbeit bekommen wir nicht mit, das technische und administrative Personal arbeitet im Hintergrund. Auch Räume, Bühnenbilder, Ausstattungen sind teuer. Dies selbsttragend anzubieten, würde sehr hohe Eintrittspreise bedingen. Die öffentliche Hand fördert Kulturbetriebe, damit die Angebote unabhängig vom Portemonnaie für möglichst viele Menschen zugänglich sind.

Buskers Bern
Blues & Americana – Martin Harley and Cekka Lou am Buskers in Bern im August 2019. - Keystone

Nau.ch: In der Motion ist von schlecht bis gar nicht bezahlter Arbeit die Rede. Sehen Sie auch im Einsatz ehrenamtlicher Einsätze ein Problem?

Anderegg: Der Einsatz von ehrenamtlichen Einsätzen ist nicht grundsätzlich ein Problem, es kommt aber darauf an, wo aus welchen Gründen unentgeltlich gearbeitet wird. Professionelles Kulturschaffen muss als wertvolle Arbeit für die Gesellschaft aufgewertet und entsprechend anständig entlöhnt werden.

«Lösung kann nicht sein, dass die Stadt Projekte finanziert, bei denen Menschen fast gratis arbeiten»

Nau.ch: Wenn die Kulturschaffenden bei gleichbleibendem Budget höhere Löhne erhalten, sinkt dadurch nicht die Anzahl der Personen, die von der Förderung profitieren?

Anderegg: Ja, genau das ist ein Problem. Das sich zusätzlich dadurch verschärft, dass eine städtische Förderung oft die Grundlage für den Erhalt weiterer Fördermittel darstellt, wie etwa von Kanton, Stiftungen oder der Burgergemeinde.

Wenn die Stadt kein Geld spricht, ist es für die Kulturschaffenden fast unmöglich, anderswo Geld aufzutreiben. Diese Situation erhöht die Prekarität vieler Kulturschaffenden und es bedeutet, dass die Vielfalt an Angeboten für die Bevölkerung schrumpft und entsprechend weniger Menschen Zugang zum Kulturschaffen erhalten.

Sollen die Kulturförderungsbeiträge an faire Löhne gekoppelt werden?

Nau.ch: Geraten dadurch nicht gerade die Schwächsten noch mehr in finanzielle Schwierigkeiten?

Anderegg: Es kann sein, dass es für noch nicht etablierte Kulturschaffende schwieriger wird, überhaupt an Geld zu kommen. Die Lösung kann aber nicht sein, dass die Stadt Projekte finanziert, bei denen Menschen fast gratis arbeiten. Die Lösung besteht vielmehr darin, die Unterstützungsbeiträge zu erhöhen, sodass möglichst viele Kulturschaffende die Chance haben, ihre Projekte zu realisieren und dabei anständig zu verdienen.

Zur Person: Ursina Anderegg (43) ist Co-Präsidentin und Stadträtin vom Grünen Bündnis und war von 2016 bis 2022 Mitglied der stadträtlichen Kommission für Soziales, Bildung und Kultur (2022 als Kommissionspräsidentin).

Sie ist stellvertretende Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit der Uni Bern und wohnt in Bern.

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