Kanton Bern soll Betreuungsgutschein-System überarbeiten
Der Grosse Rat fordert die Berner Regierung auf, das Kita-Betreuungsgutscheinsystem zu überarbeiten.

Die Berner Kantonsregierung soll sein Kita-Betreuungsgutscheinsystem überarbeiten. Der Grosse Rat hat am Donnerstag den Vorstoss «Gratis-Kitas für Eltern mit einem hohen Arbeitspensum» debattiert.
Das Kantonsparlament überwies die Forderung der Motion, den Anspruch auf Betreuungsgutscheine künftig so auszugestalten, «dass kein Anreiz besteht, sein Arbeitspensum zu reduzieren». 85 Mitglieder des Rats stimmten ihr zu, 64 lehnten sie bei drei Enthaltungen ab.
Der Vorstoss hatte in seinem Grundsatz gefordert, dass Paare mit einem kombinierten Arbeitspensum von mindestens 160 Prozent maximale Betreuungsgutscheine erhalten sollen – unabhängig vom Einkommen. Wer weniger arbeitet, sollte gar keine Gutscheine mehr erhalten. Diese Idee verwarf der Rat knapp.
Vorteile und Bedenken
Das Anliegen habe Vorteile für Frauen, Familien, Gesellschaft und Wirtschaft, sagte der Sprecher Francesco Rappa (Mitte). Es fördere die Erwerbstätigkeit von Frauen, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die langfristige Perspektive auf eine bessere Rente.
«Für Familien bedeutet sie eine finanzielle Entlastung», erklärte Rappa weiter. Erhöht würde auch die Flexibilität für Familien. Der Vorstoss stelle zudem sicher, «dass Kinder, unabhängig vom sozialen oder finanziellen Hintergrund, Zugang zu qualitativ hochwertiger Betreuung und Bildung erhalten».
Weiter erwarteten die Einreichenden – insgesamt unterzeichneten 31 Mitglieder von Mitte, SVP, FDP und GLP des Grossen Rates die Motion – positive Auswirkungen auf die Erwerbsquote und eine Linderung des Fachkräftemangels. Das sei ein Anreiz für Unternehmen, zu investieren.
«Das Ziel der Motion sind faire Bedingungen für alle», sagte der Mitunterzeichner Thomas Brönnimann (GLP). «Wir fordern nichts Radikales, sondern Fairness für alle», stellte Mitmotionärin Sandra Hess (FDP) klar.
Kritische Stimmen
Die Ratslinke sah das anders. «Wir lehnen den Entscheid entschieden ab. Er ist unsozial und rückständig», sagte Samantha Dunning namens der SP/Juso-Fraktion und zeigte anhand eines Beispiels auf, weshalb die Idee ihrer Meinung nach nicht funktioniere. Sie forderte stattdessen bessere Unterstützung für das Betreuungspersonal.
«Teilzeitarbeit muss gefördert werden», sagte Seraina Patzen (Fraktion Grüne). Kinderbetreuung müsse flexibel sein. Sie erkannte im Vorstoss eine Umverteilung von unten nach oben.
Das sah auch Stefan Bänz Müller (SP) so: «Diejenigen mit viel bekommen mehr; jene mit weniger bekommen weniger», sagte er. Er rechnete dem Rat vor, was die Umsetzung des Vorstosses den Kanton und die Gemeinden kosten würde. «Die Idee hat finanzielle Konsequenzen, und niemand spricht davon». Deshalb sei das Vorhaben entschieden abzulehnen.
Regierung nimmt Stellung
Sein Anliegen sei womöglich nicht von allen verstanden worden, sagte Francesco Rappa in seinem Schlussvotum. «Das muss ich auf meine Kappe nehmen». Er fordere volle Betreuungsgutscheine für Eltern mit hohen gemeinsamen Arbeitspensen. «Wer freiwillig weniger arbeitet, soll das tun dürfen – aber nicht auf Kosten derer, die müssen».
Der Regierungsrat teilte die Stossrichtung des Vorstosses in seinem Grundsatz hatte aber gewisse Vorbehalte und betonte rechtliche, technische und sozialpolitische Herausforderungen. Diese gelte es zuerst zu analysieren: «Das Anliegen wirft viele spannende Fragen auf», sagte der Sozialdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP). Es sei ein Anliegen der Regierung, Eltern mit hohen Arbeitspensen und einem hohen Betreuungsaufwand für ihre Kinder zu unterstützen.