Berner FDP-Grossrat Carlos Reinhard: Solidarität war einmal!

Carlos Reinhard
Carlos Reinhard

Bern,

FDP-Grossrat Carlos Reinhard wünscht sich eine sachliche Diskussion über den Beitrag der unteren Einkommensklassen zur Kantonssteuer. Ein Gastbeitrag.

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Carlos Reinhard (FDP), Unternehmer und Grossrat Kanton Bern, fordert eine ehrliche und sachliche Diskussion über die gerechte Verteilung der Beiträge zur Kantonssteuer. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Beitrag unterer und mittlerer Einkommensklassen zur Kantonssteuer ist eingebrochen.
  • Carlos Reinhard (FDP) sieht darin eine fiskalische Schieflage.
  • Er fordert eine ehrliche Diskussion über die Verteilung der Beiträge zur Kantonssteuer.

Solidarität war einmal ein Versprechen an die Gemeinschaft: Viele Schultern tragen gemeinsam jene, die es gerade nicht können.

Heute aber leben wir zunehmend ein anderes Modell: wenige finanzieren – viele fordern.

Steuererklärung Aargau
Carlos Reinhard (FDP) sieht eine Ungleichverteilung bei den Beiträgen zur kantonalen Steuer. (Symbolbild) - Keystone

Das Gleichgewicht ist verloren gegangen. Und mit ihm der gesellschaftliche Zusammenhalt. Ich habe mir die Mühe gemacht, die offiziellen Steuerstatistiken des Kantons Bern über zwei Jahrzehnte hinweg auszuwerten – die Jahre 2005, 2013, 2018 und 2023. Das Resultat ist eindeutig und beunruhigend.

Obere Einkommensgruppe trägt Grossteil der Steuerlast

Während der Anteil der einkommensschwachen Steuerpflichtigen konstant bleibt – rund ein Drittel der Bevölkerung hat ein steuerbares Einkommen unter 30'000 Franken – ist ihr Beitrag zur Kantonssteuer regelrecht eingebrochen: von 11,4 Prozent im Jahr 2005 auf gerade noch 2,8 Prozent im Jahr 2023.

Auch die Mittelschicht, einst das finanzielle Rückgrat des Staates, verliert an Bedeutung. Haushalte mit einem steuerbaren Einkommen zwischen 30'000 und 100'000 Franken trugen 2005 über 60 Prozent zum Steueraufkommen bei – heute noch gut 32 Prozent.

Und die obere Einkommensgruppe? Sie trägt mittlerweile mehr als 65 Prozent der gesamten Steuerlast. Obwohl sie weniger als ein Viertel aller Steuerpflichtigen ausmacht.

Vertrauen in Steuersystem nicht untergraben

Diese Entwicklung ist nicht nur eine fiskalische Schieflage – sie ist ein politisches Alarmsignal. Denn in den politischen Debatten erlebe ich es immer häufiger: Wer viel leistet und viel zahlt, steht schnell unter Generalverdacht.

Bern
Der Anteil unterer und mittlerer Einkommensklassen an der Kantonssteuer im Kanton Bern sei in den letzten Jahren bedenklich gesunken, sagt FDP-Grossrat Carlos Reinhard. (Symbolbild) - Pixabay

Wer erfolgreich ist, muss sich fast rechtfertigen. Als könne man nur ein hohes Einkommen erzielen, wenn man trickst, ausnutzt oder bescheisst.

Diese Haltung ist nicht nur falsch – sie ist gefährlich. Denn sie untergräbt das Vertrauen in unser Steuersystem. Sie vergiftet die Debatte. Und sie schafft eine emotionale Trennlinie zwischen jenen, die tragen, und jenen, die beziehen.

Breite Finanzierung der öffentlichen Aufgaben sicherstellen

Wir müssen dringend zurück zu einer ehrlichen, sachlichen Diskussion. Es braucht wieder eine breite Finanzierung unserer öffentlichen Aufgaben – auch mit kleinen Beiträgen aus unteren Einkommensklassen.

Nicht, um sie zu bestrafen. Sondern,um das Gefühl der Mitverantwortung zu stärken. Denn wer nichts zahlt, hat keinen Grund, kritisch zu fragen, wohin das Geld fliesst. Und wer alles zahlt, verliert irgendwann den Glauben, dass es gerecht zugeht.

Sollen untere Einkommensklassen mehr zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben beitragen?

Ich wünsche mir einen Staat, der stark ist – weil er effizient ist. Einen Staat, der hilft – aber nicht überfordert.

Und eine Politik, die anerkennt, dass Leistung, Verantwortung und Unternehmertum nicht das Problem, sondern Teil der Lösung sind.

***

Zum Autor: Carlos Reinhard (*1972) ist Unternehmer seiner eigenen Reinhard-Gruppe, Grossrat der FDP.Die Liberalen und Alt-Grossratspräsident.

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Kommentare

User #4707 (nicht angemeldet)

Sehr geehrter Herr Reinhard...Wen die oberen den unteren alles weg nehmen, ist klar dass diese weniger Stueren zahlen können. Wen man es mal Prozentual bedrachtet pro Kopf in Relation zum Einkommen sieht, zahlen der mittelstand und die unteren mehr. Auch ist meines Wissens die grösste Steuer Einnahme Quelle die MwSt, diese wird auch nur vom Volk bezahlt. Und dies mehrfach pro Artikel/Produkt (im Kaufpreis), hingegen Unternehmer können diese zurück fordern. 13 AHV Refinanzierung wäre kein Problem, wen man den Vorschlag von Herr Sigg zur Micro Transaktions Steuer dazumahls ernst genomen hätte und den Reichen würde dies auch nicht weh tun. Wäre die Microsteur auf Transaktionen durch gekommen, hätte der Staat keine Finanzierungsprobleme mehr. Positiver neben effekt wäre gewesen dass einige Reiche und Unternehmer weniger überweisungen gemacht hätten. Was wiederum dazu geführt hätte dass man Finanzfluss besser Kontrollieren kann, um unseriöse Sachen aufzudecken. Aber das will man anscheinend nicht....Und wie lange will das Parlament noch mit der durchsetzung der Steuer Befreiung der AHV/IV warten bis es umgesetz wird (wie bei Mietzins MAXIMA 10 jAHRE???), DASS WÜRDE sTEUERBEAMTE ENTLASTEN, DIE SICH DAN MAL AUF WIRKLICHE sTEUERHINTERZIEHER kONZENTRIEREN KÖNNTEN. Will man aber auch nicht, ganz komischer weise....

User #3481 (nicht angemeldet)

Man sollte nicht ständig Firmen entlasten, damit auch diese zum Steuersubstrat beitragen.

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