Berns Grosser Rat beschliesst erste Neuerungen im Sozialhilfegesetz

Keystone-SDA Regional
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Bern,

Der Grosse Rat beschloss, dass Sozialhilfebezüger künftig eine Amtssprache beherrschen müssen und strich den Vermögensverzicht aus dem Gesetz.

Grosser Rat Bern
Der Grosse Rat fordert von Sozialhilfebezügern künftig Sprachkenntnisse und verzichtet auf den Vermögensverzicht im Gesetz. (Archivbild) - keystone

Der bernische Grosse Rat hat am Mittwoch beschlossen, dass Personen in der Sozialhilfe künftig eine Amtssprache beherrschen müssen. Den Vermögensverzicht hingegen strich er aus dem neuen Sozialhilfegesetz.

Während eine Minderheit der grossrätlichen Gesundheits- und Sozialkommission die Pflicht zum Spracherwerb ablehnte, argumentierte die Mehrheit dafür: «Es ist unabdingbar, sich verständigen zu können», sagte Melanie Gasser (GLP).

Auflagen zu einem Sprachkursbesuch seien bereits heute möglich. Es gehe zudem nicht nur um Pflichten, sondern auch um Rechte. «Nämlich das Recht, dass mich der Sozialdienst beim Spracherwerb fördert», so Gasser.

Die Fraktionen von SVP, FDP und Mitte begrüssten das Anliegen. Der Artikel sei schliesslich auf Wunsch der Sozialdienste im Gesetz aufgenommen worden, sagte Michael Elsaesser (FDP). Es sei Pflicht, sich zu integrieren. Der Spracherwerb gehöre deshalb ins Gesetz.

SP/Juso, Grüne und EVP lehnen Sprachpflicht im Sozialhilfegesetz ab

SP/Juso, Grüne und EVP vertraten den Standpunkt, dass die Regelung nicht ins Sozialhilfegesetz gehört. «Wir haben bereits diverse Gesetze, die das verlangen», sagte Simone Leuenberger (EVP).

Es entstehe zudem der Eindruck, dass alle Empfänger von Sozialhilfe Ausländer seien und die Sprache nicht könnten, ergänzte Samantha Dunning (SP/Juso-Fraktion). «Das ist schlicht falsch.»

«Der Spracherwerb ist für jemanden, der sich integrieren möchte, etwas vom wichtigsten», stellte der Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) klar. Das Beherrschen einer Sprache könne Türen öffnen. Zudem werde die Latte nicht besonders hoch gelegt. Das Anfängerniveau A1 sei für die meisten möglich.

Die Ratsmitglieder nahmen die Pflicht, Deutsch oder Französisch zu beherrschen oder zu erlernen, schliesslich deutlich mit 97 zu 49 Stimmen bei 4 Enthaltungen an.

Kantonsparlament streicht Vermögensverzicht aus Sozialhilfegesetz

Hingegen strich das Kantonsparlament den neuen Artikel zum Vermögensverzicht aus dem Gesetz. Einzig SVP, FDP und EDU wollten daran festhalten.

Mit der Bestimmung hätten Personen sanktioniert werden können, die ihr Vermögen im Vorfeld freiwillig verschenkt haben und dann in der Sozialhilfe landen. Verschenktes Vermögen hätte ihnen als Einnahmen angerechnet werden können.

Die Fraktionen, die das Ansinnen ablehnten, argumentierten vor allem mit dem bürokratischen Aufwand, den es nach sich ziehen würde. «Uns graut davor», sagte Gasser (GLP) namens der Kommissionsmehrheit. Es gebe entsprechende Sanktionsmöglichkeiten bereits bei den Ergänzungsleistungen.

Zurückgeholt werden könnten maximal «ein paar Fränkli», rechnete Leuenberger (Fraktion EVP) vor. «Die Kosten und Nutzen dieser Regelung sind in keinem Verhältnis.»

Hans Marti warnt: Sozialhilfebezüger nicht weiter belasten

«Es gibt bereits genügend Sanktionsmöglichkeiten», sprach sich auch Hans Marti namens der Mitte-Fraktion gegen den Artikel aus. Leute in der Sozialhilfe hätten es schon genug schwer. «Wir würden sie noch zusätzlich plagen.» Es sei nicht akzeptabel, das Menschen ihre Güter verteilten und dann vom Gemeinwesen finanziert werden müssten, argumentierte hingegen Schnegg (SVP). «Solche Fälle nehmen aber zu.»

Das vermochte den Rat nicht zu überzeugen. Dieser stimmte schliesslich mit 80 zu 68 Stimmen bei einer Enthaltung für die Streichung des geplanten Artikels im neuen Sozialhilfegesetz.

Hingegen muss die erhaltene Sozialhilfe künftig nicht mehr zurückbezahlt werden, ausser eine betroffene Person kommt plötzlich zu Vermögen. Diese neue Bestimmung schaffte es am Mittwochabend diskussionslos durch den Rat. Die Rückforderungspflicht dehnte der Rat hingegen auf 15 Jahre aus.

Die Beratung der Totalrevision des Sozialhilfegesetzes im Grossen Rat begann am Mittwochmorgen. Diese erste Lesung wird mehrere Tage in Anspruch nehmen. Das bestehende Sozialhilfegesetz stammt aus dem Jahr 2001.

Kommentare

User #3937 (nicht angemeldet)

Für die eigenen Bürger, die die Politik von rechts bis links fürstlich finanziert, darf kein Nachteil entstehen! Fehlmanagement, Wirtschaftskrisen, Totalversagen bei den Zöllen usw. darf nicht bestraft werden und Rückzahlungspflicht aufgehoben werden! Kurzarbeit wird von den Betroffenen mitfinanziert!!

User #3976 (nicht angemeldet)

Die Hauptsache ist doch, dass für Einheimische keine Nachteile entstehen.

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